Inklusion / 22.06.2018

Inklusion in Grundschulen: Lernen, den Unterricht zu öffnen

Karin Laurenz und Lydia Sebold vom Vorstand des Grundschulverbandes Berlin über Inklusion in Grundschulen

Je weiter die Schüler/-innen auf der Bildungsleiter nach oben klettern, desto seltener werden inklusive Klassen. Grundschulen kommt deshalb eine besondere Bedeutung zu. Karin Laurenz und Lydia Sebold erzählen, worauf es aus ihrer Sicht bei der Inklusion an der Schnittstelle zwischen Kita und Schule ankommt. Beide arbeiten im Vorstand der Berliner Landesgruppe des Grundschulverbandes und sind auch selbst Schulleiterinnen an Berliner Grundschulen.

Kleiner Junge mit bunt angemalten Händen
Bild: Shutterstock.com/Anelina

Interview mit Karin Laurenz und Lydia Sebold

Frau Sebold, Sie unterrichten seit mehreren Jahren inklusiv. Wie hat Sie das als Pädagoginnen verändert?

Lydia Sebold: Ich habe am meisten von den Kindern mit starker Behinderung profitiert. Weil die mich gezwungen haben, ganz genau zu schauen, was das Kind braucht, und immer wieder meinen Unterricht stark zu verändern. Diese Kinder haben mich wirklich herausgefordert, und diese Herausforderung hat letztendlich immer auch zu einer positiven Veränderung meines Unterrichts geführt, und zu mehr Vielfalt für alle Kinder.


Frau Laurenz, Was ist für Sie anfangs besonders hart gewesen? Schließlich spielte Inklusion während Ihres Studiums noch kaum eine Rolle und Sie mussten sich vieles erst selbst erarbeiten.

Karin Laurenz: Ich musste lernen, den Unterricht zu öffnen und zu sagen, es ist okay, wenn ein Kind nur ein bestimmtes Pensum schafft und andere mehr erreichen. Und das dann auch wirklich anzunehmen und nicht zu denken, es liegt an mir oder ich muss den Eltern mehr Druck machen. Ich habe gelernt, wirklich zu akzeptieren, dass jedes Kind unterschiedlich viel Zeit braucht.

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Was ist die besondere Rolle der Grundschulen in der inklusiven Bildungslandschaft?

Karin Laurenz: Wir sind ja die Zwischenstufe zwischen Kita und weiterführender Schule, und wenn in der Kita – wo die Kinder noch ganz unbefangen aufeinander zugehen – gute Grundlagen für die Inklusion gelegt werden, müssen wir das in der Grundschule weiter pflegen. Je älter die Kinder werden, umso schwieriger wird es, eine Akzeptanz zu schaffen für Kinder, die anders sind. Deshalb ist es unsere wichtigste Aufgabe in der Grundschule, diese Unvoreingenommenheit, die die Kinder von sich aus mitbringen, weiter zu pflegen und zu erhalten.

Wie schaffen Sie das und wie stärken sie diesen sozialen Zusammenhalt unter den Kindern?

Karin Laurenz: Rituale im Klassenverband sind wichtig, sodass sich alle Kinder orientieren können und jeder eine bestimmte Aufgabe hat. Und man sollte nicht immer die nicht behinderten Kindern auffordern, ihren Mitschülern mit Handicap zu helfen – sondern auch umgekehrt, sodass die Kinder ohne ein Handicap merken, dass sie davon einen Gewinn haben. Ein Beispiel: Kinder mit dem Förderschwerpunkt „Geistige Entwicklung“ müssen lebenspraktische Übungen machen und können zusammen mit zwei Mitschülern einmal in der Woche ein Frühstück für alle zubereiten. Davon profitiert die ganze Klasse und die Kinder ohne Behinderung möchten auch immer gerne mitgehen, weil ihnen das Spaß macht. 

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Wie gelingt Schulleitung und Lehrkräften der Einstieg, wenn sie beginnen, inklusiv zu unterrichten?

Lydia Sebold: Wenn ein Kollegium sich auf den Weg in Richtung Inklusion macht, empfehle ich Schulleitern und Lehrern, zunächst in Schulen mit viel Erfahrung zu hospitieren. An der eigenen Schule sollte man dann immer mit der Teamentwicklung im Kollegium beginnen, noch bevor die konkrete Unterrichtsentwicklung anfängt. Denn ich glaube, dass die Unterrichtsentwicklung dann viel einfacher ist, wenn es im Kollegium gute Teamstrukturen gibt.

Die Sorge, dass das Leistungsniveau einer Klasse sinkt, wenn Kinder mit und ohne Handicap gemeinsam lernen, beschäftigt viele Eltern. Beobachten Sie in Ihrem Unterricht, dass die leistungsstarken Kinder gebremst werden?

Lydia Sebold: Das ist ein Vorurteil. Inklusion bezieht ja gerade auch diese Kinder mit ein. Inklusion bedeutet ja, dass auch leistungsstarke und begabte Kinder genau das bekommen, was sie brauchen, um in ihrer Geschwindigkeit vorwärtszukommen. Genau das ermöglicht differenzierter Unterricht.

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Quälen Sie dennoch manchmal Bedenken, als Pädagogin das Klassenziel am Ende des Schuljahres nicht zu packen? Immerhin ist die Leistung der Kinder in der Grundschule entscheidend für ihren weiteren Schulweg.

Lydia Sebold: Erst mal geht es ja um eine Kinderleistung, eine Leistung, die jedes Kind individuell erbringt. Und natürlich haben wir unsere Rahmenlehrpläne im Kopf und das, was Kinder leisten müssen. Das Jahresziel und die Jahresplanung muss man schon präsent haben, klar. Aber kein Mensch lernt kontinuierlich und gleichschrittig. Natürlich lernen Kinder in unterschiedlichem Tempo. Wenn man das einmal akzeptiert hat, wird es leichter. Aber man muss mit den Eltern in gutem Kontakt stehen – und auch mit den Kindern. Man muss mit den Kindern im Lerngespräch sein und immer wieder mit ihnen zusammen schauen, was sie schon geschafft Lydia Sebold: Erst mal geht es ja um eine Kinderleistung, eine Leistung, die jedes Kind individuell erbringt. Und natürlich haben wir unsere Rahmenlehrpläne im Kopf und das, was Kinder leisten müssen. Das Jahresziel und die Jahresplanung muss man schon präsent haben, klar. Aber kein Mensch lernt kontinuierlich und gleichschrittig. Natürlich lernen Kinder in unterschiedlichem Tempo. Wenn man das einmal akzeptiert hat, wird es leichter. Aber man muss mit den Eltern in gutem Kontakt stehen – und auch mit den Kindern. Man muss mit den Kindern im Lerngespräch sein und immer wieder mit ihnen zusammen schauen, was sie schon geschafft haben, was wir noch erreichen wollen und was das nächste Ziel ist.

Was ist für Sie gelungene Inklusion?

Lydia Sebold: Wenn die Kinder jederzeit miteinander in unterschiedlichsten Konstellationen arbeiten. Das ist für mich gelungene Inklusion. Wenn wirklich jedes Kind bereit ist, mit einem anderen Kind zusammenzuarbeiten und sich darauf einzustellen. Sowohl wenn es um hohe Anforderungen geht, aber auch, wenn man mal etwas macht, was einen nicht so sehr fordert. Also wenn alle Kinder grundsätzlich bereit sind zusammenzuarbeiten – und daran Freude haben.

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