Referendariat / 25.06.2018

Mit Spaß lernt es sich besser

„Jeder hat einen einzigartigen Humor-Fingerabdruck“, sagt Humorcoach Eva Ullmann. Lehrkräfte können sich diesen Umstand zunutze machen

Die Sozialpädagogin Eva Ullmann hat sich schon in ihrer Diplomarbeit mit Humor befasst und ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht. Sie hat das Humorinstitut in Leipzig gegründet und trainiert heute Manager, Ingenieure, Ärzte, Lehrkräfte und viele andere in Sachen Humor. Wir haben mit ihr über Humor in der Schule gesprochen.

Bild: stock.adobe.com/Christian Schwier

Interview mit Eva Ullmann

Frau Ullmann, jeder definiert Humor ein bisschen anders. Was verstehen Sie darunter?

Eva Ullmann: Für mich ist Humor vor allem die Lust am Widersprüchlichen und die Lust, Unstimmigkeiten und Irritationen mit Spaß zu entdecken. Aber natürlich auch die Fähigkeit, über sich selbst zu lachen und Geschichten lustig zu erzählen. Oder kurz, wie es der Duden beschreibt: eine heitere Gelassenheit. Es muss nicht immer der große Kracher sein, auch ein kleines Schmunzeln hat für mich viel mit Humor zu tun.

Das Talent dafür bringt man von zu Hause aus mit – oder eben nicht. Stimmt’s?

Eva Ullmann: Ich erlebe nur ganz selten Menschen, die gar keinen Humor haben. Jeder lacht gern und hat einen einzigartigen „Humor-Fingerabdruck“. Ich ziehe gern den Vergleich zum Singen: Die meisten Menschen haben Spaß zu singen, aber nicht jeder wird Opernsänger, und es muss ja auch nicht jeder perfekt singen können. Es gibt eine große Bandbreite und viele Feinheiten – beim Singen wie beim Humor. Die Aussage „Humor hat man oder nicht“ höre ich aber immer wieder. Deshalb lege ich großen Wert darauf klarzustellen, dass der Humor etwas Bewegliches ist, das sich verändert. Es kommt darauf an, aktiv zu sein und Dinge auszuprobieren, so wie man auch eine fremde Sprache erlernt.

Bei der Überschrift „Humor in der Schule“ zuckt mancher wohl trotzdem zusammen. Lernen geht doch mit Ernsthaftigkeit am besten, oder?

Eva Ullmann: Gerade in den 1980er-Jahren gab es tatsächlich diese Einstellung, dass Humor nicht in den Unterricht gehört. Da sind wir heute Gott sei Dank schon weiter. Heute diskutieren wir nicht mehr darüber, ob Humor in der Schule sinnvoll ist, sondern wie viel Humor dem Unterrichten guttut. Lehrer haben natürlich einen Bildungs- und keinen Unterhaltungsauftrag. Und ich bilde auch keine Kabarettisten aus. Aber Humor ist aus pädagogischer Sicht eine sehr sinnvolle Ergänzung zu anderen didaktischen Methoden. Etwa um schwierige Lerninhalte einprägsamer zu vermitteln, um an langen Schultagen Frische und Abwechslung in den Unterricht zu bringen oder um an Schüler, die sich verschließen und widersetzen, besser heranzukommen.

Das klingt verlockend. Haben Sie dafür ein anschauliches Beispiel?

Eva Ullmann: Wenn zum Beispiel im Chemieunterricht das Periodensystem der Elemente auf dem Lehrplan steht, dann gibt es Schüler, die es in der klassischen Darstellung auf Anhieb verstehen. Andere haben damit Schwierigkeiten. Wenn man zusätzlich zur klassischen Erklärung des Periodensystems einen Comic anbietet, mit dem man die Elemente noch mal auf spaßige Weise entdecken kann, dann erreicht man auch Schüler, die es zuvor noch nicht ganz verstanden haben. Ein anderes Beispiel: Wenn im Mathematikunterricht das gleichschenkelige Dreieck auf der Agenda steht, dann kann ich das auch mit dem Bild eines Frosches erklären, der ohne zwei gleich lange Froschschenkel sofort aus dem Gleichgewicht kommt. Dieses Bild bleibt den Kindern viel länger im Gedächtnis. Man kann auch in die Integralrechnung einsteigen, indem man die Balkonszene aus „Romeo und Julia“ mit Humor passend ummünzt. Oder die gerade im Englischunterricht eingeführte Vergangenheitsform in einer fiktiven Talkshow anwendet.

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Wieso sind denn Lernen und Humor so eng verknüpft?

Eva Ullmann: Es gibt inzwischen viele Studien darüber, dass wir uns Dinge besser merken, die erst mal nicht wirklich zusammenpassen. Merkwürdige Kombinationen bleiben uns besser im Gedächtnis als das, was schon auf den ersten Blick logisch und eingängig ist. Mnemotechniken machen sich das schon länger zunutze. Darüber hinaus trägt Humor auch wunderbar durch langweiligen Stoff hindurch. Und er kann auch in der siebten Stunde, wenn Schüler und Lehrer schon allein wegen ihres Biorhythmus ein Leistungstief haben, für Frische und Aufmerksamkeit sorgen.

Wichtig ist dabei, zwischen aggressivem Humor, auf Kosten anderer, und sozialem Humor, der niemandem schadet, zu unterscheiden. Sozialer Humor schafft Nähe, Lernbereitschaft und Offenheit. Aggressiver Humor im Unterricht ist nur okay, wenn ein Lehrer sich damit selbst auf den Arm nimmt. Dann kann er sogar die Distanz zu den Schülern etwas abbauen.

Sie bilden auch Lehrer zu diesem Thema aus. Wie machen Sie das konkret, wie „trainieren“ Sie den Humor?

Eva Ullmann: Wir steigen sanft ein, mit ein paar Übungen, um über den Humor ins Gespräch zu kommen. Worüber habe ich zuletzt gelacht? Welches humorvolle Erlebnis ist mir besonders gut im Gedächtnis geblieben? Welcher Kabarettist bringt mich zum Lachen? Dann mache ich gern einige Übungen, die ans Improvisationstheater angelehnt sind. Man kommt schnell rein, muss spontan reagieren und es wird immer viel gelacht. Anschließend frage ich: Warum war das eigentlich lustig? Und, wie kann man das reproduzieren, wie erzielt man damit noch mal einen Lacherfolg? Das ist schwierig zu beantworten. Im dritten Teil gehe ich dann auf Grundlagen und Techniken ein.

Am Ende meiner Seminare sind die Teilnehmer oft ganz erschöpft, weil es ungewohnt und auch anstrengend ist, so intensiv über Humor nachzudenken. Und ich kriege immer wieder zu hören, wie schnell die Zeit vergangen ist und dass man so viel gelacht hat wie lange nicht mehr.

Worauf kommt es in der praktischen Umsetzung an, damit das Trainierte dann nicht im Schulalltag auf der Strecke bleibt?

Eva Ullmann: Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, sich eine „Schatztruhe“ anzulegen, in der man lustige Momente, Anekdoten, Witze, Comics, Bilder und Ähnliches sammelt und in die man immer wieder bei Bedarf hineingreifen kann. Eine Variante ist das Humortagebuch, in das man abends humorvolle Erlebnisse des Tages einträgt, die man sonst vielleicht vergessen würde.

Vor allem aber sollte man offen sein für das, was die Schüler anbieten, und ihren Humor bewusst wahrnehmen. Da ergibt sich viel, an das man anknüpfen kann. Und wenn man mal etwas ausprobiert und auch ab und zu ein Risiko eingeht, sich dabei nicht allzu schnell entmutigen lässt, dann macht man rasch Fortschritte.

Schüler/-innen wünschen sich Lehrkräfte mit Humor

Humorvolle Lehrer/-innen sind bei den Schülerinnen und Schülern beliebt. Fragt man Kinder und Jugendliche, welche Eigenschaften sie sich bei ihren Lehrer/-innen wünschen, belegt der Humor einen Spitzenplatz. Zu diesem Schluss kommt Jörgen Schulze-Krüdener, Erziehungswissenschaftler an der Universität Trier, der verschiedene Forschungsarbeiten zum Thema Humor und Wissensvermittlung ausgewertet hat.

Der Humor hat laut Schulze-Krüdener eine Menge guter Seiten, die auch im Kontext Schule zum Tragen kommen. Humor helfe, Probleme und Krisen zu relativieren und zu akzeptieren, er lasse Tabus brechen, Grenzen überschreiten und könne Veränderungen herbeiführen oder zumindest den Weg für sie ebnen – vorausgesetzt, er geht einher mit Wertschätzung und Respekt vor den sozialen und kulturellen Verständnis- und Handlungsmustern des Gegenübers.

Auch den Lehrkräften selbst kommt eine humorvolle Art zugute: Sie zeigten sich in Befragungen weniger gestresst, schätzten sich selbst als bessere Lehrer/-innen ein und seien weniger burn-out-gefährdet, schreibt Schulze-Krüdener.

Welche direkten Wirkungen die humorvollen Lehrerinnen und Lehrer auf ihre Schüler/-innen und auf deren Leistungen haben, ist bislang erst recht wenig erforscht. „Es gibt kein gesichertes und generalisierbares Wissen über die Wirksamkeit von humorvollem Erleben und Verhalten im schulischen Unterricht“, stellt der Trierer Erziehungswissenschaftler Schulze-Krüdener nüchtern fest. Gleichwohl gibt es empirische Beobachtungen.

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