Gesprächsführung / 22.06.2018

Mit Respekt und Wertschätzung

Worauf es ankommt, um im Schulalltag gute Gespräche zu führen

Warum Reden nicht immer das Mittel der Wahl ist, wie wichtig eine wertschätzende Haltung ist und wie man eigentlich anfängt, bessere Gespräche zu führen – darüber sprechen wir mit Birgit Palzkill. Sie ist Lehrerin, Supervisorin und bildet seit gut 20 Jahren Lehrkräfte fort. Zudem ist sie Autorin des Buches „Erfolgreiche Gesprächsführung in der Schule“.

Lehrerin sitzt zufrieden im Klassenzimmer
Bild: Shutterstock.com/stockfour

Interview mit Birgit Palzkill

Frau Palzkill, gute Gespräche zu führen ist eine Herausforderung in vielen Berufen, auch für Ärzte, Richter oder Politiker. Was macht die Anforderungen an Lehrer so besonders? 

Birgit Palzkill: Lehrkräfte füllen täglich ganz verschiedene Rollen aus, zwischen denen sie hin und her wechseln müssen. Sie unterrichten, sie erziehen, sie beraten und sie bewerten. Es ist daher für sie besonders wichtig, vor jedem Gespräch zu klären, welche Rolle sie dabei innehaben. Wollen sie einem Schüler beratend zu Seite stehen oder ihn kritisieren? Wollen sie Eltern nur Informationen geben oder ein Problem mit ihnen gemeinsam lösen? Es ist eine besondere Herausforderung für Lehrkräfte, dafür zu sorgen, dass für alle Beteiligten Klarheit hierüber besteht, und das Gespräch entsprechend zu führen.

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Die Inklusion stellt viele Schule ohnehin vor neue Herausforderungen. Haben Sie einige Empfehlungen, wie es gelingt, in Gesprächen gut auf Kinder mit Behinderungen einzugehen? 

Birgit Palzkill: Mit der Inklusion wachsen die kommunikativen Herausforderungen, denn Lehrkräfte haben es zunehmend mit ganz verschiedenen Professionen zu tun, zum Beispiel mit Schulpsychologinnen, Sozialarbeitern und den Schulbetreuern. Wichtig ist, dass man lösungs- und ressourcenorientiert in die Gespräche geht. Wer grundsätzlich die Haltung hat, ich schaue jetzt vor allem darauf, was das Kind kann und welche Potenziale es hat, statt seine Fehler und Defizite in den Mittelpunkt zu stellen, der hat es viel leichter. Inklusion ist ja mehr als die Aufnahme behinderter Kinder in die Regelschulen. Es geht darum, jedes Kind entsprechend seinen Fähigkeiten zu fördern und wertzuschätzen. Diese grundsätzliche Vielfalt zu schätzen führt weiter, als primär die individuelle Behinderung in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stellen. 

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Ich möchte eine weitere besondere Gesprächssituation ansprechen: Vielerorts werden Flüchtlingskinder unterrichtet. Wie ist man als Lehrer gut vorbereitet, wenn in Gesprächen auch sprachliche Hürden und kulturelle Unterschiede zu berücksichtigen sind? 

Birgit Palzkill: Das Wichtigste ist auch hier, die Vielfalt wertzuschätzen und in den Gesprächen auf die Stärken aufzubauen, statt sich nur auf das zu konzentrieren, was vielleicht nicht so gut läuft. Aber natürlich reicht eine positive Haltung alleine noch nicht aus. Es braucht oftmals auch Dolmetscher und Wissen über kulturelle Unterschiede. Hierzulande mögen wir es zum Beispiel, ohne Schnörkel auf den Punkt zu kommen. In asiatischen und arabischen Ländern wird das als Affront verstanden. Da wird zu Beginn eines Gespräches erst langsam eine persönliche Beziehungsebene aufgebaut. Wenn man darauf achtet, hat man es leichter.

Mit den Eltern ein erfolgreiches, harmonisches Gespräch zu führen ist oft alles andere als einfach. Viele Lehrkräfte finden, dass es aufgrund steigender Erwartungen auch immer schwieriger wird. Wie ist Ihre Einschätzung als Lehrerin und Coach? 

Birgit Palzkill: Gerade in Elterngesprächen kann es sehr entlastend sein, über grundlegende Fähigkeiten professioneller Gesprächsführung zu verfügen. So ist beispielsweise eine wertschätzende Haltung unabdingbar – auch wenn es schwerfallen mag. Ich muss grundsätzlich bereit sein, die Wirklichkeit der Eltern verstehen zu wollen, mich auf sie einzulassen und ihnen mit Respekt und Wohlwollen zu begegnen. Andererseits gehört dazu auch die Wertschätzung meiner eigenen Person, der Mut, eigene Positionen respektvoll zu vertreten, sich abzugrenzen und den eigenen Selbstwert zu schützen. Es ist enorm hilfreich, nicht alles persönlich zu nehmen. Wer eine schlechte Nachricht bekommt, etwa dass die Versetzung des eigenen Kindes gefährdet ist, der will das oft nicht wahrhaben, sucht einen Schuldigen und reagiert vielleicht mit Vorwürfen. Das ist ganz normal und hat nichts mit der Persönlichkeit der Lehrperson zu tun. Hier eine professionelle Distanz zu wahren, den Emotionen der Eltern auch Raum zu lassen, ohne persönlich verletzt zu sein, das hilft sehr. 

Außerdem empfehle ich, bei heiklen Themen die Worte ganz bewusst auszuwählen. Es macht einen großen Unterschied, ob man den Eltern sagt: „Ihr Kind ist aggressiv“, oder: „Ihr Kind muss lernen, ruhig zu bleiben, selbst dann, wenn es von Mitschülern mal geärgert wird.“ Oder ob man den Eltern pauschal an den Kopf wirft: „Ihr Kind fehlt ständig“, oder ob man sachlich argumentiert: „Ihr Kind hat in diesem Halbjahr bereits x Fehlstunden.“ 

Im Schulalltag ist die Zeit knapp. Ist es da nicht effizient, öfters mal eine Mail zu schreiben, statt das persönliche Gespräch zu suchen? In welchen Situationen ist das sinnvoll? 

Birgit Palzkill: Wenn bereits eine gute, verlässliche Beziehung besteht, dann kann man auch mal schnell etwas per Mail klären. Wenn die Beziehung aber nicht so klar ist, empfehle ich immer das Gespräch. Man sollte auch bedenken: Was man schreibt, das steht da für immer. 

Sie beraten viele Lehrer in Fortbildungen. Welche Fehler werden in puncto Gesprächsführung am häufigsten gemacht? 

Birgit Palzkill: In der Hektik des Schulalltags ist die Verführung groß, Gespräche unvorbereitet und „zwischen Tür und Angel“ zu führen. Das schafft manchmal mehr Probleme, als es löst. Außerdem fehlt es Lehrpersonen häufig an Geduld. Sie erwarten bei der Beratung zu viel auf einmal und streben mit den Kindern zu umfangreiche Ziele an. Die Kinder scheitern dann bei der Umsetzung oder haben erst gar nicht den Mut anzufangen. 

Oft wird in Schulen auch geredet, obwohl etwas ganz anderes sinnvoll wäre. Wenn man beispielsweise Kontakt zu einem zurückgezogenen Schüler bekommen will, muss man nicht unbedingt das Gespräch mit ihm suchen. Es kann erfolgreicher sein, ihm einfach mal auf dem Schulhof beim Fußballspielen zuzuschauen und „nur“ da zu sein. Reden ist auch kein Ersatz für konsequentes Handeln zum Beispiel bei Regelverstößen. Lehrer haben eine Fülle pädagogischer Maßnahmen zur Verfügung, Gespräche sind nur ein Teil davon. 

Und ich beobachte, dass im Schulalltag oft geredet wird, ohne dass klar ist, was man mit diesem Gespräch erreichen will, welches konkrete Ziel man vor Augen hat. Dann dreht man sich nur im Kreis.

Apropos Riesenberg: Welche erste Schritte empfehlen Sie Lehrern, um ihre Gesprächsführung zu verbessern? 

Birgit Palzkill: Es lohnt sich, die eigene Gesprächsführung genau so zu reflektieren, wie man das mit dem Unterricht macht. Die Fragen, die man sich dabei stellt, betreffen vor allem die eigene Haltung, die eigene Rolle und das Ziel des Gesprächs: Inwieweit ist es mir möglich, trotz aller Schwierigkeiten eine wertschätzende Haltung zu entwickeln? Wie kann eine Orientierung auf Lösungen und Ressourcen gelingen? Was will ich im Gespräch erreichen? Will ich Hilfe anbieten, Kritik üben, nur informieren oder vermitteln? Es gibt Hilfen in Form von Gesprächsleitfäden und Gesprächstechniken, an denen man sich orientieren kann. Ich halte aber gar nichts davon, Sätze oder Gesprächsbausteine einfach einzuüben. Authentisch zu sein kommt viel besser an.

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Sechs Empfehlungen für eine erfolgreiche Gesprächsführung

1. Nehmen Sie bewusst Ihre Rolle ein 
„Einfach mal reden“ führt selten zu einem konkreten Ziel. Um in einem Gespräch etwas zu erreichen, überlegen Sie vorab, welche Rolle Sie einnehmen wollen und welcher Gesprächstyp sich daraus ergibt. Wollen Sie in erster Linie Kritik üben und ein Problem ansprechen, wollen Sie sachlich informieren, beraten oder zwischen Konfliktparteien vermitteln? Richten Sie Ihr Gespräch danach aus. Auch Ziele lassen sich so viel leichter formulieren und anpeilen. 

2. Schätzen Sie die Stärken Ihrer Gesprächspartner 
Wenn Sie lösungs- und ressourcenorientiert in ein Gespräch gehen, wird es Ihnen viel leichter fallen, Ihre Ziele zu erreichen. Statt sich darauf zu fokussieren, was alles schiefläuft, überlegen Sie, an welche Fähigkeiten, Stärken und Potenziale Sie anknüpfen können. Überlegen Sie sich auf dieser Basis mögliche Lösungen, statt sich in Fehlern zu verbeißen. 

3. Nehmen Sie nicht alles persönlich 
Wut, Angst oder Zurückhaltung sind oft einfach menschliche Reaktionen in einer schwierigen Situation. Unabhängig davon, wer als Gesprächspartner gegenübersitzt. Machen Sie sich das bewusst und schaffen Sie so eine professionelle Distanz in schwierigen Momenten. Oft hilft es, sich in den anderen hineinzuversetzen und sich auszumalen, wie man selbst reagieren würde. 

4. Reden ist gut, aber nicht immer das Beste 
Als Pädagoge haben Sie eine Vielzahl von Ideen und Methoden im Kopf. Und nicht immer sind Schüler, Kollegen oder Eltern für ein Gespräch empfänglich. Schauen Sie über den Tellerrand, werden Sie kreativ. Beim Schulfest zusammen am Grill zu stehen oder eine Runde am Kicker zu spielen mag auf den ersten Blick banal scheinen, aber es kann erst mal helfen, eine neue Beziehungsebene aufzubauen. 

5. Legen Sie Ihre Worte auch mal auf die Goldwaage 
Manchmal macht es einen großen Unterschied, wie man ein Problem anspricht. Beschreiben Sie Probleme sachlich und machen Sie Kritik lieber beispielhaft an einer konkreten Situation fest, statt pauschale Vorwürfe zu äußern. Nüchterne Fakten wiegen oft schwerer als emotionale Vorwürfe. 

6. Bleiben Sie kein Einzelkämpfer 
Wenn eine Situation richtig verfahren ist, wenn zum Beispiel die Beziehung zu einem Elternpaar immer weiter eskaliert, hilft es, einen Kollegen zu einem Gespräch hinzuzuholen, der unvoreingenommen und ruhig an die Sache herangeht. Vor allem, wenn man merkt, dass man für den Gesprächspartner trotz aller Mühe keinen Respekt und keine echte Wertschätzung mehr aufbringen kann.

Fortbildungen der Cornelsen Akademie 

Lösungsorientiert Kommunizieren und Handeln (SchiLf)
Sie werden fit für eine lösungsorientierte wertschätzende Kommunikation in Konfliktsituationen. Zudem lernen Sie, wie Sie auf Kritik eingehen und freundlich und konstruktiv auf „Killerphrasen“ reagieren können. 

Professionelle Gesprächsführung (SchiLf)
Sie werden in die Lage versetzt, unterschiedliche Situationen des privaten und beruflichen Alltags leichter zu verstehen, verstanden zu werden und auch im Umgang mit schwierigen Menschen argumentative Sicherheit zu bewahren. 

Wertschätzende Kommunikation
In diesem Workshop nähern wir uns der Umsetzung von Wertschätzung in Abgrenzung von Lob und gehen dabei auf die feinen und gleichzeitig wertvollen Unterschiede ein. Gerade im Kontakt mit Schüler/-innen und Kolleg/-innen können dies bereichernde Erkenntnisse sein.

Elterngespräche professionell führen
Ein Gespräch ist und bleibt das vertrauensbildende Verständigungsmedium. Es verlangt ein hohes Maß an sozialer Kompetenz, Einfühlungsvermögen und Sensibilität. Mittels professioneller Gesprächsführung können Sie – auch auf schwierigem Terrain – gelassen und souverän agieren und gleichzeitig das Vertrauen des Gesprächspartners gewinnen.

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