Lektüren im Unterricht einsetzen
10 Praxistipps für heterogene Lerngruppen
Warum überhaupt Lektüren? Mehrere Studien haben festgestellt, dass extensives Lesen nicht nur die Lesekompetenz fördert, sondern auch das Wortschatzlernen und die generelle Sprachkompetenz. Das „Extensive Reading“ schult auch die Lernautonomie und, ganz wichtig: es stärkt die Empathie und erlaubt Jugendlichen, die Welt aus anderen Perspektiven zu erleben. Erfahren Sie in zehn Tipps zur Lektürearbeit – speziell für heterogene Lerngruppen –, wie Schüler-/innen mehr Spaß am Lesen haben.
10 Tipps zur Lektürearbeit
1. Stellen Sie den Zweck einer Lektüre vor
Beim extensiven Lesen, anders als beim intensiven Lesen von kürzeren Texten im Klassenzimmer, steht die persönliche Auseinandersetzung des Lesers / der Leserin mit dem Text und nicht das komplette Textverständnis im Vordergrund. Es kann vorkommen, dass manche Schülerinnen und Schüler Geschichten ganz anders verstehen und interpretieren. Erklären Sie Ihren Schüler/-innen, dass der Hauptzweck einer Lektüre Spaß am Lesen ist, und beschreiben Sie die Vorteile, die mit extensivem Lesen verbunden sind.
2. Wählen Sie die richtige Lektüre aus
Lesegeschmäcker sind verschieden: ob spannende Abenteuer, Gruselgeschichten, Dystopien oder Geschichten über soziale Gerechtigkeit und mehr. Stellen Sie ihren Schüler/-innen eine Auswahl zur Verfügung. In Webinaren mit Lehrer/-innen zum Thema Lesen habe ich festgestellt, dass dieses Prinzip in vielen Klassenzimmern praktiziert wird – und natürlich zu motivierteren Leser-/innen führt. Auch Schüler/-innen sollten die Möglichkeit haben, mit einer Lektüre aufzuhören und eine andere auswählen zu können, wenn der Inhalt sie nicht anspricht.
3. Lassen Sie autonom lesen
Lektüren haben den größten Lerneffekt, wenn sie relativ flüssig gelesen werden können – ohne zu viele unbekannte Wörter, die zu Stolpersteinen werden. Wählen Sie das richtige Niveau für Ihre Klasse sorgfältig: leicht unter ihrer normalen Lesekompetenz. Bringen Sie Ihren Schüler/-innen Lesestrategien bei, damit sie Kontext, Ähnlichkeiten im Deutschen („true friends“), Wortfamilien und mehr zur Hilfe ziehen können, wenn ein wichtiges Wort Probleme bereitet. Die meisten Lektüren haben hilfreiche Vokabellisten, es ist aber gar nicht nötig (oder überhaupt wünschenswert), dass Schüler/-innen jedes Wort voll verstehen. Sie können einige Wörter einfach „überspringen“ oder „ungefähr“ verstehen und trotzdem das Meiste begreifen. Vor allem: Lassen Sie Ihre Schüler/-innen in ihrem eigenen Tempo lesen.
4. Beziehen Sie Bilder ein
Verwenden Sie Buchdeckel und Bilder in den Lektüren und lassen Sie Ihre Schüler/-innen spekulieren, was im Buch passiert. Das motiviert sie, die Geschichte zu lesen, um ihre Vermutungen zu bestätigen oder zu verwerfen. Lassen Sie die Schüler/-innen die ersten paar Seiten zu zweit anschauen. Spielen Sie ein Gedächtnisspiel mit ihnen: Welche Bilder waren zu sehen? Bevor die Klasse ihre Eindrücke bespricht, geben Sie ihnen eine Liste als Stütze, aus denen sie auswählen können: Finden sie das Buch spannend/cool/schräg/schaurig ...? Was passiert ihrer Meinung nach?
5. Sprechen Sie alle Lerner/-innen an
Nicht alle Schüler/-innen sind visuelle Lerner. Wecken Sie ihre Neugier und ersetzen Teile des Buches durch Hördateien. Nutzen Sie Hörproben (wie z. B. der Bücher der Cornelsen English Library), um den Schüler/-innen eine stimmungsvolle Einführung in das jeweilige Thema zu geben. Oder nehmen Sie selbst ein Kapitel auf, um ihnen eine Abwechslung oder auch Unterstützung beim Lesen anzubieten.
(Hörproben für ausgewählte Cornelsen Englisch Lektüren finden Sie hier)
6. Teilen Sie das Lesen auf
Beim Lesen zu zweit nehmen sich Schüler/-innen, die mit dem Lesen kämpfen, zusammen eine Lektüre vor: Sie lesen abwechselnd ein paar Seiten oder ein Kapitel zu Hause, in der Klasse tauschen sie dann Informationen aus. So sichern Sie allen ein Erfolgserlebnis. Wenn Schüler/-innen mehrere Lektüren gleichzeitig lesen, ergibt sich von selbst eine Informationslücke, die Sie in der Klasse verwerten können: Nach dem Lesen eines Kapitals erzählen sie jeweils einem/einer Partner/-in, was passiert ist.
7. Fördern Sie Empathie
Schüler/-innen können sich in eine Geschichte hineinversetzen und Empathie für die Charaktere entwickeln, wenn sie ihnen während des Lesens kurze Nachrichten schreiben: zum Beispiel einen Glückwünsch („Well done!“), Sympathie („I’m so sorry“) oder eine Warnung („Be careful!“) ausdrücken. Sie können Fragen stellen („Warum hast du deine Freundin im Stich gelassen?“) oder einen Rat geben („If I were you, I wouldn’t go there“). Die Nachrichten sind privat und die Schüler/-innen entscheiden selbst, ob sie diese mit den anderen teilen.
8. Lassen Sie ein Lesetagebuch schreiben
Das Lesen einer Lektüre sollte besser keinen Aufgabenapparat nach sich ziehen. Empfehlen Sie aber ein Lesetagebuch, um das Lesen zu strukturieren. Dies kann relativ offen sein und die Schüler/-innen notieren sich alles, was ihnen auffällt oder gefällt, oder sie schreiben sich ihre Fragen darin auf.
9. Binden Sie Filme ein
Gibt es einen Film zum Buch, lassen Sie die Schüler und Schülerinnen nach dem Lesen den Film anschauen. Fordern Sie diese auf, beide Fassungen zu vergleichen: Was fehlt ihnen bei dem Film, was finden sie gut gelungen? Wenn es keinen Film gibt, lassen Sie Ihre Schüler/-innen ein Filmplakat zum Buch anfertigen: Wer spielt die Hauptrollen? Was für ein Foto oder (eigene) Zeichnung ist auf dem Plakat? Wie viele Sterne bekommt der Film und wie kann er mit Adjektiven oder kleinen Sätzen bewertet werden? Hängen Sie das Plakat an die Wand und es wird die Leseneugier bei den anderen Schüler/-innen wecken.
10. Holen Sie persönliches Feedback ein
Ganz wichtig nach dem Beenden der Lektüre – holen Sie persönliche Rückmeldungen von Ihren Schüler/-innen ein: Hat die Lektüre ihnen gefallen oder warum nicht? Wer waren die Heldinnen/Helden und warum? Mein Tipp: Manche Schüler/-innen möchten vielleicht eine Zeichnung von ihrem Lieblingscharakter anfertigen. Was waren ihre Lieblingsszenen? Was haben sie aus der Geschichte gelernt, eine Lebensweisheit oder einen Rat? Bitte nicht vergessen: Loben Sie Ihre Schüler/-innen, dass sie die Lektüre geschafft haben!
Zur Autorin
Rebecca Robb Benne aus Kopenhagen ist seit frühster Kindheit eine richtige Leseratte, ihr Motto nach C.S Lewis lautet: „You can never get a cup of tea large enough or a book long enough to suit me“. Die Lehrerin für Deutsch, Französisch und Englisch als Fremdsprache mit einem Master in Angewandte Sprachwissenschaft entwickelt seit über zwanzig Jahren Unterrichtsmaterialien. Ihr Fokus: eine Leidenschaft fürs Lesen in den Schüler/-innen zu entfachen.
Für Cornelsen verfasst sie Schulbücher für die Mittleren Schulformen wie aktuell Go Ahead für die Bayerische Realschule. Mehr zur Autorin: rebeccarobbbenne.info