Unterricht gestalten / 08.04.2020

Schulschließung – was nun?

Bin ich darauf gut vorbereitet?

Die Schule ist seit circa zweieinhalb Wochen geschlossen und nun haben offiziell die Osterferien begonnen. Meine Erfahrungen zu den ersteren Vorbereitungen, der Organisation, dem persönlichen Umgang bis hin zur Rückmeldung der Eltern und auch Schüler möchte hier gerne mit euch teilen.

Kleine Voranmerkung

Gleich zu Beginn sei erwähnt, dass ich wie immer keinerlei Anspruch auf die allgemeine Wahrheit erhebe oder hier die Empfindung aller Lehrkräfte zum Ausdruck bringe. Was ich hier schreibe, schreibe ich aus Sicht als beginnende Vollzeitlehrkraft an einer Grund- und Gesamtschule in Brandenburg. Es wird Schulen geben, die digital deutlich besser aufgestellt sind und man kann davon ausgehen, dass Schüler der Sek I und II auch schon meist recht geschickten Umgang mit elektronischen (mobilen) Endgeräten pflegen. Da sich bei mir seit der Einstellung doch einiges getan hat, habe ich anstatt einer 7. eine 3. Klasse übernommen, die mir sehr ans Herz gewachsen ist und die ich hoffentlich bis zum Ende der Sek I begleiten darf. Ich persönlich finde die Situation besonders für Schüler der Grundschule verunsichernd, da in dieser noch Grundkompetenzen ausgebildet werden, die sich meiner Meinung nach nicht durch (lediglich) digitalen Unterricht ausbilden lassen. Dennoch möchte ich hier gerne einen kleinen Überblick geben, wie das alles für mich in den letzten drei Wochen in etwa abgelaufen ist.

 

War ich vorbereitet?

Die Nachricht, dass die Schulen geschlossen werden, erreichte mich durch die öffentlichen Nachrichten. Obwohl schon in der zweiten Märzwoche klar wurde, dass die Schulen schließen, blieben die genauen Anweisungen seitens des Landes Brandenburg und dementsprechend seitens der Schulleitung recht vage. Doch bereits vor der offiziellen Verkündung der Schulschließung einigten sich einige Kollegen und ich vorher, Aufgaben für diesen höchstwahrscheinlichen Fall vorzubereiten und an die entsprechenden Klassenlehrer zu schicken. Zügig setzte ich mich also an den Schreibtisch und zimmerte  hübsche Arbeitspläne für meine Herzchen in den verschiedenen Klassen zusammen, sodass ich nicht völlig unvorbereitet in diese ungewöhnliche Zeit hineinstolperte.

In den Medien bzw. im Netz wird die Situation teilweise so dargestellt, dass jetzt die beste Zeit gekommen ist, das E-Learning und digitalen Unterricht in den Fokus zu rücken, und dass das so schon alles klappt. Mal davon abgesehen, dass die Schule, an der ich nun als Vollzeitlehrkraft arbeite, keine digital stark aufgestellte und gut ausgestattete Schule ist, kommt auch noch hinzu, dass die Digitalisierung auch einige Haushalte in der Gegend noch nicht „erreicht“ hat. Das macht die ganze digitale Geschichte etwas schwieriger und ich kann mit Sicherheit sagen, dass meine Schule nicht die einzige ist, die vor ähnlichen Problemen steht.

Das Wochenende vor der Schulschließung erreichte letztendlich alle die heißersehnte Nachricht, wie es auch offiziell seitens der Schulleitung und des Landes gehandhabt werden soll. Die Realität an meiner und vielen weiteren Schulen auf Anweisung der Schulleitungen: Wochenpläne zum Abarbeiten vorbereiten und am letzten Pflichtunterrichtstag an die Klassen verteilen. Hm. Zwar eine Lösung, aber nicht wirklich befriedigend – oder im Sinne der Forderung und Förderung des selbständigen Lernen irgendwie schon?  In den Mix aus den oben genannten Bedenken mischte sich auch noch die kleine Anmerkung seitens der Schulleitung: „Die Aufgaben für zuhause sollen zur Wiederholung und Festigung bereits besprochener Themen dienen.“ Im Klartext: Die zwei Wochen, die man für die Erarbeitung neuer Themen und auch zur Überprüfung des Gelernten in Form von Tests oder Klassenarbeiten nutzen würde, fällt komplett weg. Und zuhause erarbeitete Aufgaben sollen in der Regel nicht bewertet werden. Natürlich lässt sich die Vollständigkeit und Sorgfalt der Bearbeitung der Wochenpläne in gewisser Form als Note im Arbeits- und Sozialverhalten vermerken, jedoch nicht bezüglich der  fachlichen Leistung. So oder so, innerhalb einiger Tage sollten also Aufgaben für zweieinhalb Wochen vorbereitet und verteilt werden.

 

Wie habe ich mich organisiert? 

Jeder, der mal eine Weile in einer Grundschulklasse verbracht hat, weiß, dass man nicht nur lärmresistent und organisiert sein muss, sondern dass man vor eins braucht: Geduld, Geduld und noch mehr Geduld. Und einen Adlerblick, der sämtliche Hefte oder Bücher oder Stifte sieht, die noch irgendwo fröhlich im Klassenzimmer herumschwirren. Sobald die Schulschließung immer deutlicher abzusehen war, lautete die erste Anweisung an meine Klasse, sämtliche Lehrmittel und Arbeitsmaterialien, die im Klassenzimmer gelagert waren, mit nach Hause zu nehmen.

Und schneller als gedacht, kam der letzte Schultag: Um trotz der oben genannten eventuellen Schwierigkeiten die Kommunikation in dieser ungewöhnlichen Zeit zu gewährleisten, widmete ich diesen vor allem

  • dem Verteilen und Einsammeln von Mailadressen und – aufgrund der Situation –
  • Herausgabe meiner Mobilnummer (Tipp: schon länger denke ich, dass auch bei Lehrkräften ein Diensthandy wirklich Sinn macht!)
  • Abgleichen der Mobilnummern mit der Klassenliste
  • Verteilen der Arbeitspläne
  • Verteilen des in dieser Zeit zu lesenden Buchs (was eignet sich besser als das Vorziehen der Lektüre in der Halbjahresplanung, um die Zeit sinnvoll auszufüllen und die häusliche Ruhe auszunutzen?)
  • der Beantwortung vieler Fragen der Kinder
  • der nochmaligen Belehrung zum Infektionsschutz
  • Zuhören von mehr oder weniger passenden Geschichten zur Situation
  • und vor allem mit häufigem Abhaken einer eigens für diesen Tag erstellten Liste, um sicherzustellen, dass alle Kinder versorgt  sind und die Eltern wissen, wie sie mich zur Not erreichen können.

Bevor die Kinder fröhlich abzischen durften, kontrollierten meine Co-Lehrerin Frau Trenow und ich das Klassenzimmer der 3a: vor, unter, ober, neben, hinter und in den Fächern der Tische sollten alle Lehrmittel und Lehrmaterialien spätestens am letzten Schultag, bevor die Schule dicht gemacht wird, in die Schulmappe geräumt und anschließend brav ins Kinderzimmer zuhause verstaut und gewürdigt werden. Wir wiederholten nochmal mein Mantra des Tages, dass es sich um „eine schulfreie, aber keine lernfreie Zeit“ handelt, die Stühle wurden fein säuberlich hochgestellt, ein letzter prüfender Blick in die Klasse geworfen und diese fürs Erste abgeschlossen. 

 

Wie geht es Schülern und Eltern?

Da es sich bei meiner Schule um eine Ganztagsschule handelt, wurde schon recht früh festgelegt, dass es eine Notbetreuung geben wird. Um die dafür zuständigen Kollegen zu entlasten und zu unterstützen, wurden sämtliche Kollegen, die zu keiner Risikogruppe gehören, miteingeplant. Wie das so unter Lehrern ist, gab es auch ein paar Stimmen, die dagegensprachen, doch ich persönlich denke, es einfach kollegial und selbstverständlich ist auszuhelfen, wenn es das Grundkonzept der Ganztagsschule unterstützt.

Interessant war dabei für mich, die Reaktionen der Kinder mitzubekommen und zu hören, wie diese die Situation grade empfinden. So aufgeregt einige über diese schulfreie Zeit zu Beginn waren, so schnell hat sich die Euphorie auch gelegt, wie mir ein Schüler aus der vierten Klasse sagte: „Ich vermisse die Schule, es macht viel mehr Spaß, die Aufgaben in der Schule zu erledigen und dann frei zu haben und Freunde zu treffen oder Fußball zu spielen. Aber man kann ja nicht mal was mit Freunden oder andere coole Sachen draußen machen ... Macht die Schule bald wieder auf, Frau Stark?“ So in etwa lauteten seine Worte, die in etwa zusammenfassten, was mir so einige Kinder mehr oder weniger in der Zeit der Schulschließung bei der Notbetreuung mitgeteilt haben.

Einige Eltern werden den zurzeit unter Lehrern kursierenden Memes, die in etwa lauten „Viele Eltern werden nun feststellen, dass nicht die Lehrer das Problem sind“ nach dieser Zeit nachvollziehen können und auch dem Lehrerberuf hoffentlich etwas mehr schätzen. Von einigen Eltern in meiner eigenen Klasse weiß ich, dass der Spagat zwischen Arbeit (auch wenn es Homeoffice ist), dem Abarbeiten der Arbeits- bzw. Wochenpläne und Freizeit wahnsinnig belastend und anstrengend ist, sodass bei vielen die Nerven blank liegen. Die Schule als strukturgebender Teil des Alltags fällt weg und ist eben auch durch von den Eltern festgelegte Lernzeiten nicht wirklich ersetzbar. Beim bisherigen Feedback kann ich behaupten, dass sowohl Schüler als auch Eltern ehrlich hoffen, (ich zitiere), „dass dieser Spuk bald vorbei ist.“

 

Wie gehe ich mit der Situation um?

Man merkt, dass der Lehrerberuf trotz fortschreitender Digitalisierung und vielfältigen Möglichkeiten der Kommunikation per Mail oder auf eigens für schulische Zwecke angelegten Plattformen immer noch auch viele Aspekte aufweist, die man schwierig aus der Ferne umsetzen kann. Vielen Kollegen geht es so wie mir, dass die praktische Arbeit und direkte Kommunikation als Reaktion auf Unterrichtsgeschehen fehlen. So beläuft sich meine Arbeit als Klassenlehrerin auch weniger auf ein harmonisches Miteinander unter den Kindern, sondern sie rückt mich viel mehr in die Position der Notzentrale bei Fragen oder Klagen seitens der Eltern oder Schüler und natürlich auch der Schule.

Sowohl zu Beginn als auch zum Ende dieser zweieinhalb Wochen verschickte ich eine Mail an die Eltern mit verschiedenen Hinweisen und Angeboten von Lernprogrammen und Mediatheken, die zurzeit frei bzw. aufgrund einer seitens der Schule erworbenen Schullizenz verfügbar sind. Zugegebenermaßen blieb es bis auf einige Nachfragen per E-Mail und einen Anruf relativ ruhig, in meiner festgesetzten Arbeitszeit zwischen 8 und 13 Uhr ließ mir dies – wenn nicht gerade bei der Notbetreuung eingesetzt – recht viel Zeit Dinge zu erledigen, die vorher zu kurz gekommen sind: Ablage, Sortierung, Aktualisierung von Förderplänen und die Erarbeitung von Unterrichtsplänen und teilweise sogar schönen Unterrichtsstunden für die noch ungewisse Zeit nach den Osterferien.

 

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