Unterricht gestalten / 05.06.2020

"Schule früher und heute" als Unterrichtsthema

Die Schule im Wandel der Zeit

Über die Schule wird viel und gerne geschimpft. Ein Vergleich mit der Schule "von früher" kann für einen spannenden Perspektivwechsel sorgen – und Sie und Ihre Schüler den Schulalltag mit neuen Augen sehen lassen.

Bild: stock.adobe.com/Andreas Laser

Früher war alles besser? – Gemeinsam mit den Schülern die Schule im Wandel der Zeit entdecken

Lästige Schulpflicht, viel zu viel Lernstoff und ein starres und strenges System – über die Schule wird viel und gerne geschimpft. Wer sich die Schule "von früher" aber einmal näher anschaut, wird heute vieles ganz anders bewerten. Begeben Sie sich mit Ihren Schülern doch einmal auf eine Zeitreise und lassen Sie sie den damaligen Schulalltag mit dem heutigen vergleichen.

Sie können Ihren Schülern zum Beispiel den Auftrag erteilen, Großeltern und Eltern zu befragen. Welche Erfahrungen haben sie in ihrer Schulzeit gemacht? Welche Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede sehen sie? Was war für sie damals am schwersten, was am schönsten? Je nach Alter der Großeltern bzw. Eltern können die Antworten natürlich durchaus unterschiedlich ausfallen – in jedem Fall aber liefern Sie viel spannenden Gesprächsstoff für Sie und Ihre Schüler.

Alternativ lassen Sie die Schüler selbst recherchieren und bitten sie, Wissen und Fakten rund um die Schule "von früher" zusammenzutragen. Ob Bücherei oder Internet: Es gibt viele interessante Quellen. Natürlich können Sie auch eine Mini-Themenreihe ausarbeiten und bestimmte Aspekte gezielt besprechen. Die folgenden zehn Dimensionen bieten sich zur Betrachtung an.

Scriptor Praxis - Keine Angst vor Projektarbeit! So gelingen Themenfindung, Umsetzung und Bewertung - Buch

Keine Angst vor Projektarbeit! So gelingen Themenfindung, Umsetzung und Bewertung

Scriptor Praxis

Buch

Zehn Vergleichsdimensionen: Das hat sich getan

1. Schulpflicht

"Ich weiß sowieso nicht, warum man zur Schule gehen muss." – Ein Satz, der vor Wut gerne mal fällt. Die Schulpflicht nehmen viele heute vor allem als lästigen Zwang wahr. Dabei war die Einführung damals eine echte Errungenschaft, die vielen Kindern überhaupt erst einen Zugang zur Bildung ermöglichte. In früheren Zeiten war es nämlich längst nicht selbstverständlich, die eigenen Kinder in die Schule zu schicken; vielen Eltern fehlten dafür die finanziellen Möglichkeiten. Oft waren die Kinder außerdem fest als Arbeitskräfte eingeplant – statt die Schulbank zu drücken, mussten sie ihren Eltern darum zum Beispiel bei der Ernte oder mit dem Haushalt helfen. 

2. Ansehen und Unterstützung

Eng mit dem ersten Punkt verknüpft: Viele Eltern sahen weder die Notwendigkeit noch den Sinn darin, ihre Kinder zur Schule zu schicken. Oder es fehlten ihnen die Mittel und das Wissen, um ihre Kinder bestmöglich unterstützen zu können. Wenn die Schüler heute Eltern haben, die ihre Schulbildung sehr ernst nehmen, sie immer wieder zum Lernen ermahnen und ein Auge auf die Hausaufgaben haben, mag das für die Schüler anstrengend sein – selbstverständlich war und ist so viel Unterstützung aber nicht.

3. Fächerauswahl

Lesen, Schreiben, Rechnen, Religion und auch viel Singen: Lange war das Fächerangebot in der Schule sehr beschränkt. Später kamen u. a. Leibesertüchtigung und Hauswirtschaft hinzu. Von den breiten Bildungsmöglichkeiten heute war man damit aber immer noch weit entfernt – Grundfächer und Wahlfächer, AGs und Co., die allen Schülern offen stehen, waren früher gar nicht vorstellbar.

4. Ausstattung

Dass es damals keine Laptops, Tablets oder Whiteboards gab, liegt auf der Hand. Aber auch von der modernen Technik abgesehen war damals vieles unbequem spartanisch. Starre Holzbänke und -tische, auf denen aufrecht und gerade, mit den Füßen parallel und den Händen auf den Tischen gesessen werden musste, sorgten für eine deutlich strengere Atmosphäre.
Statt Schreibheften gab es vor rund 100 Jahren zunächst kleine Kreidetafeln, die die Schüler immer wieder auswischten. Später schrieben sie dann mit Federkielen, die sie in Tinte tauchten. Statt der heute üblichen Heizung gab es übrigens oft nur einen Ofen, der den großen Klassenraum beheizte – und wer weit vom Ofen weg saß, musste leider frösteln.

5. Unterrichtsstil

Generell war der Unterricht darauf ausgelegt, den Schülern Wissen zu vermitteln: Der Lehrer trug vor und erklärte, die Schüler folgten seinen Ausführungen und seinen Kommandos. Heute ist dagegen viel mehr eigenes Denken und Tun gefragt: Die Schüler dürfen und sollen selbstständig Überlegen und Lernen, Ausprobieren und eigene Ideen entwickeln und prüfen.
Früher ging es weniger um individuelles Lernen und Entfaltung, als um Fleiß, Gehorsam und Disziplin. Sprechen durfte nur, wer aufgerufen wurde, und dann hatte die Antwort im Stehen zu erfolgen. Flüstern, Tuscheln oder Hereinrufen wurde sofort bestraft – das Schwätzchen mit dem Sitznachbarn hätte es also damals nicht gegeben. Im Idealfall sollte früher alles im Takt und auf Kommando erfolgen. Wer sich damit schwer tat, bekam die Folgen zu spüren.

6. Strafen und Sanktionen

Vielleicht haben die Großeltern den Schülern schon einmal von ihren Erfahrungen berichtet: Damals war die sogenannte körperliche Züchtigung noch gang und gäbe. Bis ins 20. Jahrhundert wurden "ungehorsame" Schüler mit einem Rohrstock oder einem Lineal auf die Finger oder auf die Handflächen geschlagen. So mancher Schüler hatte schlimme Geschichten zu berichten – etwa, wenn er die Stöcke vor der Bestrafung selbst zurechtschneiden musste oder die Wunden noch gar nicht verheilt waren, als die nächsten Prügel folgten. In Bayern wurden körperliche Strafen übrigens erst in den 1980ern offiziell verboten – die berüchtigte Prügelstrafe ist also noch gar nicht so lange her.

7. Klassengröße

Wenn wir heute von "großen Klassen" sprechen meinen wir meist Klassen mit etwas mehr als 30 Schülern. Früher saßen in einem Klassenraum oft bis zu 100 Schüler – und zwar Schüler aller Altersstufen. Das nach Altersgruppen getrennte Lernen wurde erst später eingeführt. Davor unterrichtete ein Lehrer in einem einzigen Raum Schüler verschiedensten Alters auf ganz unterschiedlichen Lernniveaus.

8. Lehrerrolle

Früher war der Lehrer vor allem eine Autoritätsperson, die den Schülern Wissen "beibringen" sollte. Heute leisten Sie als Lehrer noch ganz anderes: Sie sind (Lern-)Berater, Erzieher und Vertrauenspersonen. Statt den Schülern Lernstoff "einzutrichtern" wollen Sie sie ermuntern, möglichst viel selbst herauszufinden, ihren eigenen (Lern-)Weg zu finden und von Selbstvertrauen bis Kritikfähigkeit alle nötigen Kompetenzen für ihr späteres (Berufs-)Leben zu trainieren.

Der kleine Lehrerflüsterer - Lehrerpersönlichkeiten - Ratgeber

Der kleine Lehrerflüsterer

Lehrerpersönlichkeiten

Ratgeber

9. Geschlechterrollen

Weibliche Lehrer waren überhaupt erst ab den 1860er-Jahren erlaubt. Auch für die Schüler gab es lange Zeit feste Geschlechterrollen. Während die Jungen beispielsweise Rechnen und Raumlehre übten und durch die Leibesertüchtigung für den Kriegsdienst in Form kommen sollten, lernten die Mädchen Handarbeit und Hauswirtschaftslehre, um den Haushalt führen zu können.

10. Chancen und Perspektiven

Die Schulbildung sollte früher vor allem einen praktischen Nutzen erfüllen und die Schüler auf ihre angedachten Rollen vorbereiten. Das breite Fächerangebot heute mag vielen manchmal zu umfassend und zu wenig konkret erscheinen – es eröffnet den Schülern aber auch viel mehr Möglichkeiten. Sie können sich für verschiedenste Bereiche entscheiden, eine Berufsausbildung machen oder sich für eine Akademikerlaufbahn entscheiden. Und sie können einen ganz anderen Beruf ergreifen als ihre Eltern – auch das war früher seltener.

Quellen: In Anlehnung an:

"Schule früher und heute: Eine kleine Reise durch die Zeit – Vom Prügelstock zur Kuschelpädagogik"von Ulrike Miriam Bausch, Unicum Abi, http://abi.unicum.de/schule-a-z/auf-einen-blick/schule-frueher-und-heute

"Unterricht vor 100 Jahren", Medienwerkstatt Wissenskarten, http://www.medienwerkstatt-online.de/lws_wissen/vorlagen/showcard.php?id=2237

Arbeitsblätter für Ihren Unterricht

Sie suchen Arbeitsblätter für Ihr Fach bzw. zu aktuellen Themen? Dann sind Sie hier genau richtig!  Wählen Sie aus der Vielfalt unserer lehrplanorientierten Arbeitsblätter das für Sie Passende aus. Einfach herunterladen und gleich einsetzen.

Spicken, Schulstreiche und mehr

Bei Schulstreichen kann die ganze Klasse zur Höchstform auflaufen und ungeahnten Einfallsreichtum beweisen. Da kommen einem gleich die Streiche aus der eigenen Schulzeit in den Sinn… Noch mehr aus 75 Jahren Schulzeit finden Sie auf https://www.cornelsen.de/75-jahre.

Schlagworte:

27.09.2024
Englische Grammatik leicht gemacht
So gelingt die Vermittlung von Grammatik im Englischunterricht
Kommunikation ist entscheidend fürs Sprachenlernen. Aber auch die Grammatik muss beherrscht werden. Ärgerlich nur, dass gerade das Grammatiklernen wenig geschätzt wird. Wie lässt sich das ändern? Wie kann das Lernen von Grammatik-Regeln erfolgreich, möglicherweise sogar motivierend sein? Das haben w... Weiterlesen
26.09.2024
Werteorientierung durch Achtung, Respekt und Toleranz
Achtsamkeit und Demokratiebildung in der Schule
Viele Jugendliche, so scheint es, entfernen sich immer weiter weg von der Demokratie. Bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg konnte die AfD in der Altersgruppe der 16- bis 24-Jährigen einen besonders hohen Zuspruch verzeichnen. Und laut einer aktuellen repräsentativen Allensbac... Weiterlesen
02.09.2024
Digitalität an Schulen
„Es ist eine naive Illusion, man könnte die Schulen als analoge Inseln im digitalen Meer in die Zukunft führen“
Entlang didaktischer Grundfragen zeigt das Buch Digitalität als Prinzip, was es bedeutet, digital zu lehren und zu lernen. Das Interview mit Frank Nix, dem Autor des Buches, beleuchtet die Herausforderungen und Chancen, die sich aus der Digitalisierung im Bildungssektor ergeben. Digitalität ist dabe... Weiterlesen
30.08.2024
Denkfehler im Mathematikunterricht
Wie Schülerinnen und Schüler aus Fehlern wirklich lernen können
„Aus Fehlern wird man klug, drum ist einer nicht genug“, wusste schon Wilhelm Busch. Für die Schule galt diese Weisheit lange nicht, Fehler sollten beim Lernen möglichst vermieden werden. Mittlerweile gehört aber die Fehlerkultur zum didaktischen Handwerkszeug von Lehrkräften. Doch was heißt das kon... Weiterlesen