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Differenzieren & Fördern / 13.08.2020

Linkshändigkeit: Das müssen Lehrer wissen

Schülerinnen und Schüler optimal fördern

Linkshändigkeit ist längst nicht nur am heutigen Weltlinkshändertag ein wichtiges Thema. Denn es gibt deutlich mehr Linkshänderinnen und Linkshänder als wir lange dachten – und das Schreiben mit der falschen Hand kann ernste Folgen haben. Was Sie als Lehrkraft konkret tun können, das lesen Sie hier.   

Person hält ein Notizbuch und einen Stift, trägt Brille; Hintergrund gelb.
Bild: Shutterstock.com/ViChizh

Das Wichtigste in Kürze

  • Linkshändigkeit ist angeboren und darf nicht umerzogen werden: Eine Umerziehung kann langfristige negative Folgen wie Sprachprobleme, Lernschwierigkeiten und geringes Selbstbewusstsein verursachen.
  • Lehrkräfte sollten Linkshändigkeit frühzeitig erkennen und gezielt unterstützen: Beobachtungen im Alltag und Händigkeitstests helfen bei der Identifikation, einfache Anpassungen im Unterricht fördern die Schreibentwicklung.
  • Alltags- und Unterrichtsmaterialien sollten linkshänderfreundlich gestaltet sein: Spezielle Scheren, Lineale, Tastaturen sowie eine geeignete Sitzordnung erleichtern Linkshänderinnen und Linkshändern den Schulalltag erheblich.

Linkshändigkeit: Das sollten Sie wissen

Von Albert Einstein bis Barack Obama: Es gibt viele berühmte Linkshänder. Ging man früher noch davon aus, dass in etwa jeder Zehnte Linkshänder ist, gehen Wissenschaftler heute von fast jedem Fünften aus. Doch obwohl es offenbar deutlich mehr Linkshänder gibt, als früher gedacht, herrscht noch viel Unsicherheit.

Woran erkennen Sie beispielsweise, ob ein Kind Rechts- oder Linkshänder ist? Worauf sollten Sie achten und wie sollten Sie Ihren Unterricht anpassen, damit auch Linkshänder gut mitarbeiten können? Und warum ist es überhaupt so wichtig, die richtige „Händigkeit“ möglichst früh zu erkennen? Wir haben die wichtigsten Fakten zur Linkshändigkeit einmal für Sie zusammengetragen.

Die falsche Hand – und ihre Folgen

Bis in die 90er-Jahre hinein gab es nur eine vermeintlich „gute“ Hand – nämlich die rechte. Kinder, die mit der linken Hand schreiben wollten, wurden mit strenger Hand „umerzogen“. In den 50er- und 60er-Jahren fand diese Umerziehung oft gewaltsam statt, mit Schlägen auf die vermeintlich „böse“ Hand oder durch das Festbinden der linken Hand auf dem Rücken. Später änderten sich die Methoden, doch das Ziel blieb gleich: Durch Fäustlinge, die sie sich über die linke Hand ziehen mussten, oder zumindest durch ständige Ermahnung sollten Linkshänder dazu gebracht werden, die linke Hand ungenutzt zu lassen und stattdessen die rechte Hand zu benutzen.

Mittlerweile wissen wir, dass es weder „gute“ noch „böse“ Hände gibt und von Geburt an feststeht, welche Hand die bevorzugte ist – und wir wissen, dass eine Umerziehung – ob gewaltsam oder nicht – großen Schaden anrichten kann. Kinder, die kontraintuitiv ihre eigentlich schwächere Hand gebrauchen müssen, entwickeln häufig Sprachprobleme und Lernschwierigkeiten, wie Stottern, schlechte Feinmotorik oder Lese- und Rechtschreibschwächen. Die Folgen sind oft auch im Erwachsenenalter noch klar zu sehen – bis hin zu deutlich geringerem Selbstbewusstsein und auch Depressionen.

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Was im Gehirn passiert

Ob Testosteronspiegel im Mutterleib oder genetische Veranlagung: Die Ursachen für Linkshändigkeit sind noch nicht zweifelsfrei bewiesen. Als gesichert gilt aber: Bei der Geburt steht die Händigkeit fest – und darüber, welche Hand wir bevorzugen, entscheidet letztlich die Vernetzung beziehungsweise Ausprägung unseres Gehirns. Bei Rechtshändern ist die linke Gehirnhälfte stärker ausgeprägt; hier „sitzen“ vor allem rationales Denken und das Sprachzentrum. Bei Linkshändern ist die rechte Gehirnhälfte die dominante, und damit der Bereich des Gehirns, in dem Kreativität, Vorstellungsvermögen und Intuition sitzen.

Gerade bei anspruchsvollen Tätigkeiten, die uns viel Feinmotorik, Kraft oder Schnelligkeit abverlangen, nutzen wir intuitiv unsere „stärkere“ Hand. Dürfen Linkshänder ihre starke Hand nicht benutzen, muss die schwächere Gehirnhälfte reagieren und die Arbeit übernehmen. Das bringt nicht nur einen gesteigerten Schwierigkeitsgrad mit sich, sondern sorgt oft für Überforderung – und führt langfristig zu den bereits genannten negativen Folgen.

Wie Sie Linkshändigkeit erkennen

Einfach alle Kinder mit beiden Händen schreiben zu lassen und dann zu schauen, was „besser“ oder „klarer“ aussieht, vermittelt kein verlässliches Bild. Selbst wenn Sie beobachten, mit welcher Hand ein Kind von sich aus zum Stift greift, ist das kein Beweis für eine Rechts- oder Linkshändigkeit. Viele Kinder, die eigentlich Linkshänder wären, schulen sich unbewusst selbst um: Sie ahmen Eltern oder Freunde nach und passen sich ohne es zu merken instinktiv an die Mehrheit an.

Aufwendige „Messungen“ sind dennoch meist nicht nötig. Achten Sie stattdessen zunächst darauf, wie sich das betreffende Kind in motorisch anspruchsvollen Situationen verhält. Mit welcher Hand öffnet es eine Flasche, greift nach dem Schulmaterial in der Tasche oder benutzt das Lineal? Einen weiteren Anhaltspunkt bietet das Klatschen: Ist beim Klatschen die linke Hand oben, deutet das oft auf Linkshändigkeit hin.

Mit wissenschaftlich fundierten Fragebögen, die Sie ganz einfach im Internet finden (häufig unter dem Begriff „Händigkeitstests“), können Sie Ihre Vermutung zusätzlich überprüfen. Die Ruhr-Universität Bochum bietet darüber hinaus online den „Edinburgh Handedness Inventory“-Test an, einen klassischen Test zur Händigkeit (http://psynet.ruhr-uni-bochum.de/cognition/hand/). Alternativ können Sie sich an eine der Beratungsstellen für Linkshänder wenden, die es mittlerweile in vielen Bundesländern gibt.

Was Linkshänder brauchen

Wie sehr Alltagsgegenstände auf Rechtshändigkeit ausgelegt sind, ist uns oft gar nicht bewusst. Von Scheren und Dosenöffnern über Computer-Tastaturen und Controller von Spielekonsolen bis hin zum Schaltknüppel im Auto, der sich rechts befindet, haben Linkshänder im Alltag immer wieder mit Situationen zu kämpfen, in denen ihnen der Einsatz ihrer starken Hand schwer oder sogar unmöglich gemacht wird. Mittlerweile haben das auch viele Unternehmen erkannt und bieten neben Schulmaterialien wie Scheren und Linealen speziell für Linkshänder auch Computer-Tastaturen an, bei denen sich der Zahlenblock links befindet.

Für Ihren Unterricht können und sollten Sie Folgendes beachten:

  • Klären Sie auf.
    Achten Sie auf Anzeichen für Linkshändigkeit, sprechen Sie mit den Eltern und sensibilisieren Sie auch die Schülerinnen und Schüler dafür, dass sie Linkshänder sein könnten. Machen Sie dabei immer deutlich: Linkshändigkeit ist weder schlimm noch „unnormal“; und das Kennen und Nutzen der dominanten Hand ist tatsächlich essentiell. Als kleine Argumentationshilfe zur Ermunterung: Auch unter den Stars gibt es viele Linkshänder – von Angelina Jolie bis Paul McCartney.
     
  • Geben Sie die richtigen Tipps zum Schreiberwerb.
    Im Internet finden Sie viele wertvolle Tipps und Anleitungen zum Schreibenlernen speziell für Linkshänder. Einige wichtige Punkte sind die folgenden: Die Schreibfläche sollte immer links liegen; auch die rechte Heftseite sollten die Schüler deshalb nach links schieben. Den optimalen Winkel sollten sie individuell testen, aber es hilft, das Papier nach rechts unten zu neigen. Mit der rechten Hand können die Schüler das Papier fixieren, während sie mit links schreiben. Dabei sollten die Finger immer unter der Schreiblinie bleiben, damit sich keine verkrampfte Schreibhaltung ausbildet oder sich die Schülerinnen und Schüler durch die Handhaltung das Schreiben selbst erschweren.
     
  • Achten Sie außerdem auf die Sitzordnung.
    Eine Kleinigkeit mit großer Wirkung: Achten Sie darauf, dass Links- und Rechtshänder nicht so nebeneinander sitzen, dass sie beim Schreiben mit den Ellbogen aneinander stoßen. Idealerweise sitzt der Rechtshänder rechts und der Linkshänder links, sodass beide genug Platz haben.

Sie sehen: Das Thema ist durchaus wichtig – und Sie können einiges tun, um Linkshändern das (Schul-)Leben leichter zu machen. Es lohnt sich garantiert!      

Fortbildungen der Cornelsen Akademie 

Handschrift lernen? Relevanz der Schreibkompetenz im digitalen Zeitalter  (SchiLf)
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