Erfolgreiche Schulleitung: Warum Teamarbeit der wichtigste Erfolgsfaktor ist
Wie klare Strukturen und Vertrauen Schule wirklich verändern können
Gute Schulen gibt es nur mit guten Schulleitungen, heißt es. Gerade hat aber in eine der bisher größten Befragung von Schulleitungen in Deutschland ergeben, dass sich viele Schulleitungen in Deutschland überlastet fühlen. Das führt nicht nur zu erheblichen gesundheitlichen Problemen und zu unbesetzten Schulleitungsstellen, sondern hat auch Auswirkungen auf die Qualität des Lehrens und Lehrens. Anlass für uns einmal in einer Schule nachzufragen, in der eine ganz besondere Art von Schulleitung praktiziert wird.

Frau Thöne, sie sind Schulleiterin der Gesamtschule Münster-Mitte und Frau Kösters, Sie sind ihre Vorgängerin. Ein Beruf, der nicht unbedingt attraktiv zu sein scheint. Für Sie beide gilt dies aber nicht?
Ulli Thöne: Für uns ist das kein so ein schwieriger Job, weil er einfach auch große Freude bereitet. Natürlich sind es unglaublich viele und vielfältige Anforderungen. Das heißt, ich habe eine vergleichsweise große Verantwortung, vom Haushalt über Schulträgerberatung, über Personalgespräche und Schulentwicklung, Elternarbeit, Kontakt nach außen und vieles mehr. Das heißt, ich muss schon sehr intrinsisch motiviert sein. Und dann ist es eine wundervolle Aufgabe.
Kathrin Kösters: Natürlich gibt es viele Aufgaben. Wir haben aus guten Gründen Bildungsgerechtigkeit, den Ganztag an vielen Schulen, Inklusion, wir haben Digitalisierung, KI, alles Dinge, mit denen man sich auseinandersetzen muss. Wir haben die Idee von neuen Lehr- und Lernformaten, also die qualitative Unterrichtsentwicklung, im Blick. Das heißt, ich muss als Schulleiterin auch pädagogisch auf der Höhe sein. Ich kann nicht nur einfach organisieren. Dazu kommt, dass jede Kollegin, jeder Kollege natürlich nach wie vor die pädagogische Freiheit hat, theoretisch den eigenen Unterricht so zu gestalten, wie er oder sie es möchte, ich als Schulleiterin aber natürlich im Blick habe, dass ich meine Schule nach vorne bringen muss. Das heißt, ich muss neben einer guten Organisatorin auch eine sehr gute Kommunikatorin sein, um die Menschen zu motivieren. All das klingt sehr herausfordernd, kann aber auch sehr erfüllend sein, weil man tatsächlich etwas bewegen kann. Das geht allerdings nicht als Einzelkämpferin, sondern nur im Team und wenn man verstanden hat, dass man Verantwortung auch wirklich an die Schulleitungsteammitglieder abgeben kann. Im Team dann gemeinsam eine Schule zu einer guten Schule zu machen ist extrem bereichernd.
Sitzungsmanagement in allen Teamtreffen
Nun zeigt die aktuelle GEW-Studie, dass sich ein Großteil der Schulleitungen sehr belastet fühlt. Sie beide aber sprechen von großer Freude in Ihrem Beruf. Was läuft bei Ihnen möglicherweise besser als an anderen Schulen?
Ulli Thöne: Zunächst einmal: Es ist wichtig, delegieren zu können. Wir sind ein großes Team. Es gibt die Schulleiterin, eine Stellvertretung und drei Abteilungsleitungen für die verschiedenen Schulstufen. Dazu kommt noch die didaktische Leitung. Wir treffen uns als Großgruppe einmal pro Woche für zweieinhalb Stunden. Daneben gibt es feste Termine, an denen ich mich als Schulleiterin mit der didaktischen Leitung treffe oder mit den Abteilungsleitungen.
Außerdem haben wir noch ein kleines „Daily“ dazwischengesetzt, das findet im Mittagsbereich eines weiteren Tages statt, bei dem man sich zu aktuellen, kurzen Abstimmungen treffen kann. Des Weiteren finden pro Jahr zwei Klausurtagungen statt, bei denen es um grundsätzliche Dinge geht, denn in den wöchentlichen Treffen steht eher der Alltag im Vordergrund. Unsere Sitzungen sind stark strukturiert, damit wir diese Zeit gut nutzen. Damit es gelingt, haben wir eine kollaborative Vorlage, die die Themen jeder Abteilung, die Zielsetzungen der einzelnen Tagesordnungspunkte sowie deren Dokumentation enthält. Es gibt eine Einstiegsrunde mit der Frage: „Wie kommen wir heute hier an?“ Einerseits, um selbst zu reflektieren, und andererseits auch, um zu verstehen, wie der eine oder andere jetzt in diese Sitzung kommt. Und auch zum Schluss fragen wir noch einmal: „Wie gehst du jetzt hier raus?“ Dieses Sitzungsmanagement spiegelt sich in allen Teamtreffen wider.

Ulli Thöne
Leiterin der Gesamtschule Münster-MitteSchulleitungen müssen Persönlichkeiten sein, die gut kommunizieren können, reflektieren und die Stärken anderer erkennen.
Das ist die organisatorische Seite. Wie sieht es mit der persönlichen Seite aus?
Ulli Thöne: Schulleitungen müssen Persönlichkeiten sein, die gut kommunizieren können, die bereit sind, zu reflektieren, die sehen, welche Stärken ihre Kolleginnen und Kollegen haben und die sich zutrauen, das zu nutzen. Man muss Management-Qualitäten haben, in der Organisation fit sein. Man muss Leute motivieren können, Visionen im Kopf haben und das pädagogische Fortkommen einer Schule im Blick behalten. Und man muss die Menschen mitnehmen. Partizipation ist hier das Schlüsselwort. Sehr wichtig ist auch, wertschätzend mit Menschen umzugehen. Das heißt, es muss mir als Schulleitung gelingen, selbst wenn mal etwas schiefgelaufen ist, zu sagen, vielleicht können wir da noch mal gemeinsam drauf gucken und eine Lösung finden.
Schwarmintelligenz
Sie haben gemeinsam mit einem Kollegen das Buch „Teamarbeit gestalten · Zentrale Herausforderung und Erfolgsfaktor für Schulen heute“ herausgegeben. Warum ist Teamarbeit gerade in der Schule so wichtig?
Ulli Thöne: Mir fällt dazu als erstes das Wort Schwarmintelligenz ein. Wenn wir zu fünft oder sechst zusammensitzen und überlegen, dann kommen wir immer auf gute Ideen. Ich glaube, es ist auch wichtig nach außen, also dem Kollegium gegenüber, als Team dazustehen, als homogenes Team. Natürlich braucht es auch immer Abstimmungsprozesse. Wir sind uns nicht immer einig. Es ist wichtig, dass man sich in einem Team nicht immer einig ist, sonst hätten ja alle immer nur dieselbe Blickrichtung und man würde blinde Flecken aufbauen.
Und wie sieht es mit den Schülerinnen und Schülern aus? Färbt diese Teamarbeit, dieses demokratische Vorleben der Schulleitung auf sie ab?
Kathrin Kösters: Auf jeden Fall, weil dies auch Auswirkungen auf das gefühlte Erleben der Lehrkräfte hat. Es gibt sogar Studien dazu, dass sich das Führungsverhalten kaskadierend nach unten durchsetzt. Das heißt, wenn Lehrkräfte erleben, dass sie gehört werden, dass sie Verantwortung übernehmen können, dann geben sie das auch weiter an ihre Schüler und Schülerinnen. Und das ist ja das, was wir wollen.
Ist das Ihr Schulleitungsmodell Standard, oder ist es eher außergewöhnlich?
Kathrin Kösters: Ich habe mittlerweile den Blick auf viele Gesamtschulen. Schulleitungsteams sind für alle Gesamtschulen vorgeschrieben, werden aber nicht überall gleich mit Leben gefüllt. Da gäbe es in meinen Augen Überarbeitungsbedarf. Ich glaube, dass es sinnvoll wäre, solche Teamstrukturen auch in anderen Schulformen zu etablieren, aber das ist nicht meine Baustelle. Schulleitungsteams sind also in allen integrierten Systemen angelegt, dass es aber regelmäßige Schulleitungsklausurtagungen und feste Schulleitungssitzungen mit einem Sitzungsmanagement gibt oder unter Umständen auch noch Zuarbeiterinnen und -arbeitern, die unterstützen, das ist nicht unbedingt überall so gegeben. Das liegt in der Verantwortung jeder einzelnen Schule.

Kathrin Kösters
schulfachliche Dezernentin, ehemalige SchulleiterinDie pädagogische Freiheit eines jeden Einzelnen, seinen Unterricht allein so zu machen, wie er oder sie es für richtig hält, ist einfach antiquiert.
Wie können sich denn andere Schulen Ihrem Modell nähern? Hilft da Ihr Buch?
Kathrin Kösters: Auf jeden Fall. Aber mal abgesehen von dem Buch glaube ich, dass es viel hilft, sich innerhalb und außerhalb der eigenen Schule zu vernetzen. Das haben wir immer getan. Wir waren immer mit anderen Schulen im Austausch, haben aber auch innerhalb der Schule Fachteams und Jahrgangsteams mit regelmäßigen Zeitfenstern etabliert und so Kolleginnen und Kollegen vernetzt. Darüber hinaus glaube ich, es wäre ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung zur Entwicklung von Schulen hin zu Teamschulen, dass der Begriff der pädagogischen Freiheit eines jeden Einzelnen im Schulgesetz gestrichen oder zumindest ergänzt wird durch die pädagogische Geschlossenheit eines Kollegiums. Ich denke, die pädagogische Freiheit eines jeden Einzelnen, seinen Unterricht allein so zu machen, wie er oder sie es für richtig hält, ist einfach antiquiert. Die Lehrkräfte und die Schulleitungsmitglieder einer Schule sollten sich darüber verständigen, wie sie in ihrer Schule qualitätsvolles Lehren und Lernen verwirklichen wollen. Das kann nicht für alle Schulen gleich sein, das heißt, jede Schule muss für sich und ihre Schülerinnen und Schüler ein Konzept abstimmen. Es bedeutet aber dann auch, dass sich alle danach richten müssen, damit die Qualität stimmt. Wir leben in einer Demokratie, man kann ganz viel aushandeln, aber wenn man sich auf einen Beschluss geeinigt hat, muss man sich daran halten.
Zur Person
Kathi Kösters ist schulfachliche Dezernentin bei der Bezirksregierung Münster, ehemalige Schulleiterin der Gesamtschule Münster-Mitte, Moderatorin und Trainerin für die Schulentwicklungsberatung, Mitglied der Jury des Deutschen Schulpreises
Ulli Thöne ist Leiterin der Gesamtschule Münster-Mitte und Schulentwicklungsberaterin
Beim Cornelsen Verlag haben sie gemeinsam mit dem Schulentwicklungsberater Franz Wester das Buch Teamarbeit gestalten · Zentrale Herausforderung und Erfolgsfaktor für Schulen heute veröffentlicht.
Fortbildungen der Cornelsen Akademie
Teams, Konferenzen und Gremien steuern und gestalten
Ziel dieses speziellen Angebotes ist es, gemeinsam mit Ihnen diejenigen der stattfindenden Prozesse zu identifizieren, die zu einem guten Klima und einer kooperativen Zusammenarbeit beitragen. Ähnlich den Techniken des agilen Mindsets, die in der Privatwirtschaft angewendet werden, möchten wir Sie dabei unterstützen, das zu identifizieren, von dem Sie “Noch mehr” tun, was Sie “beibehalten” oder “Stoppen” sollten.


