Differenzieren & Fördern / 26.08.2021

Aus den Lockdown-Erfahrungen lernen

Wie Schulkinder die Schulschließungen verbrachten

Die Corona-bedingten Schulschließungen haben Spuren hinterlassen. Bei Kindern, Lehrenden und Eltern. Vieles war sehr belastend, aber die Lockdowns haben auch Positives bewirkt. Nach zwei langen Phasen der Schließungen 2020 und Anfang 2021 geht es beim Start in das neue Schuljahr darum, daraus zu lernen. Defizite auszugleichen, Chancen für Verbesserungen zu nutzen und das Gute zu verstärken. Wissenschaftler des ifo Instituts haben genau hingeschaut und die Auswirkungen auf das Lernverhalten und die sozio-emotionale Lage der Kinder analysiert. Daraus ergeben sich spannende Chancen und Potenziale.

Bild: Shutterstock.com/insta_photos

Eine Gruppe von Wissenschaftlern um den Bildungsforscher Ludger Wößmann am Münchner ifo Institut hat untersucht, wie Kinder die Schulschließungen 2020 und 2021 verkraftet haben. Für die aktuelle Studie „Bildung im Lockdown: Wie verbrachten Schulkinder die Schulschließungen Anfang 2021?“ wurden landesweit rund 2.100 Eltern online befragt. Die Studie bietet umfangreiche Daten, aus denen sich auch Empfehlungen und Hinweise für die Schulpraxis ableiten lassen.

Lernzeit während der Lockdowns deutlich gesunken

Eine Zahl fällt besonders ins Auge: Im Schul-Lockdown Anfang 2021 haben Schülerinnen und Schüler durchschnittlich nur 4,3 Stunden am Tag mit schulischen Aktivitäten verbracht. Davon entfiel knapp eine Stunde am Tag auf die schulische Notbetreuung oder den Wechselunterricht. Der Großteil wurde hingegen mit dem Lernen zu Hause verbracht, vor allem mit dem Lösen von Aufgabenblättern und mit Videounterricht. Etwa jedes zehnte Kind verbrachte maximal eine Stunde am Tag mit Lernen. Der Unterschied zur Zeit vor Corona ist klar: Damals wurden rund 7,4 Stunden pro Tag mit Lernen verbracht.

Den Großteil der Zeit arbeiteten die Schulkinder dabei selbstständig: 1,3 Stunden pro Tag haben die Eltern während des Lockdowns Anfang 2021 gemeinsam mit den Kindern gelernt.

Zeit in den Sozialen Medien stark gestiegen

Zugleich hat während der Schulschließungen die Zeit, die Kinder mit passiven Tätigkeiten wie Fernsehen, Computer- oder Handyspielen oder mit Sozialen Medien verbracht haben, drastisch zugenommen. Mit 4,6 Stunden pro Tag haben sie damit sogar mehr Zeit verbracht als mit dem Lernen. Auch hier zeigt sich deutlich, dass lernschwächere Schulkinder und Kinder, deren Eltern keinen akademischen Abschluss haben, viel stärker von den negativen Seiten des Lockdowns betroffen waren.

Noch Aufholpotenzial bei der individuellen Betreuung

Blickt man auf die Lernangebote und die Lernbegleitung, zeigen sich viele Potenziale und noch ungenutzte Chancen. Fast jedes fünfte Schulkind hatte während des Lockdowns 2021 nie gemeinsamen Unterricht mit der Klasse, etwa per Video-Schalte. Während der ersten Schulschließungen war es noch fast jedes zweite Kind, das gänzlich ohne gemeinsame Lernzeit mit der Klassengemeinschaft zurechtkommen musste. Dass das gemeinsame Lernen aber einen kräftigen Motivationsschub gibt, zeigt sich ebenfalls in der Studie: Schülerinnen und Schüler, die mindestens einmal pro Woche gemeinsam mit ihrer Klasse arbeiten konnten, verbrachten auch insgesamt viel mehr Zeit mit Lernen.

Auch der persönliche Kontakt zur Lehrerin oder zum Lehrer motiviert und unterstützt die Kinder. Doch viele von ihnen hatten selbst im zweiten Lockdown Anfang dieses Jahres nur selten oder nie ein persönliches, individuelles Gespräch mit ihrer Lehrerin oder ihrem Lehrer. Dabei fällt besonders die Spreizung ins Auge: Während 32 Prozent niemals ein persönliches Gespräch hatte, konnten sich 40 Prozent sogar mindestens einmal pro Woche mit Lehrerin oder Lehrer persönlich per Video oder Telefon austauschen.

Leistungsschwächere Kinder werden stark benachteiligt

Besonders bedenklich: Gerade leistungsschwächere Kinder und Kinder, deren Eltern keinen akademischen Abschluss haben, bekamen deutlich häufiger gar kein oder seltener ein Gespräch mit ihren Lehrkräften. Auch bekamen gerade sie seltener ein Feedback für ihre Arbeit als die leistungsstarken Schülerinnen und Schüler. „Ähnlich wie schon im Frühjahr 2020 ist also nicht zu erkennen, dass während der Schulschließungen Anfang 2021 ein besonderer Fokus der Lehrkräfte auf der Förderung benachteiligter Kinder lag, die eher Schwierigkeiten beim Distanzlernen haben“, schreiben die Bildungswissenschaftler in ihrer Studie.

Wie stark insbesondere die lernschwächeren Kinder die Unterstützung, ein offenes Ohr und aufmunternde, motivierende Worte gebraucht hätten, auch das zeigen die Ergebnisse des Forschungsteams. Denn leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler sind beim Lernen im Homeschooling deutlich weniger konzentriert, weniger organisiert, weniger selbstständig und häufiger abgelenkt. Es überrascht nicht, dass sie beim Lernen zu Hause viel öfter steckenbleiben und nicht weiterkommen als die Leistungsstärkeren. Und dass sie, nach Angaben ihrer Eltern in der Umfrage, während der Schulschließungen erheblich weniger gelernt haben als in normalen Schulzeiten.

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Digitale Ausstattung gutem Niveau

Dass die Erfolge und die Schwierigkeiten im Homeschooling tatsächlich stark von den Lernangeboten, den persönlichen Kontakten und der Lernbetreuung abhängen, zeigt der Blick auf das Lernumfeld. Denn die meisten Schulkinder können mit einer guten technischen Ausstattung lernen, haben ein stabiles Internet, und 70 Prozent haben zu Hause sogar einen eigenen Raum, in dem sie lernen können.

Gemischtes Bild bei den sozio-emotionalen Befindlichkeiten

Wie sehr Kinder und Jugendliche während der Lockdowns psychisch gelitten haben, ist in den vergangenen Monaten klar geworden. Der fehlende Kontakt und Austausch mit Freundinnen und Freunden, Ängste und Sorgen, weniger Bewegung und Sport – all das hat viel dazu beigetragen. Überraschend: Rund ein Viertel der befragten Eltern gab zwar an, dass emotionale Probleme ihre Kinder im Lockdown zugenommen hätten. Doch mehr Eltern, über ein Drittel der Befragten, antworteten, dass ihre Kinder seltener unter Traurigkeit und Niedergeschlagenheit, unter Ängsten und Nervosität litten als während des normalen Schulunterrichts. Viele Eltern, knapp die Hälfte, gaben zudem an, dass ihr Kind weniger gehänselt oder schikaniert wurde. Das ist durch den selteneren Kontakt zu den Mitschülerinnen und Klassenkameraden zu erklären, wirft jedoch aufgrund des hohen Anteils von 46 Prozent auch ein Schlaglicht auf die psychischen Belastungen der Kinder im normalen Präsenzunterricht.

Förderung bei lernschwachen Kindern noch nicht angekommen

Die gezielte Unterstützung durch Ferienkurse, Förderunterricht und kostenlose Nachhilfe ist ein großer Baustein, um den Kindern zu helfen, Lernlücken zu füllen. Doch laut der Studie haben die allermeisten Kinder keinerlei Unterstützungsmaßnahme erhalten. Das hat sich seit Veröffentlichung der Studie voraussichtlich verbessert, doch eine Tendenz ist bedenklich: Es sind gerade nicht die Kinder aus bildungsfernen Schichten, die in den Genuss der Unterstützung kommen, sondern Akademikerkinder werden häufiger gefördert.

Resilienz ist gewachsen

Unter dem Strich gibt es auch Positives: Viele Eltern berichten, dass sich die digitalen Kompetenzen ihrer Kinder verbessert hätten. Mehr als die Hälfte findet, dass ihr Kind gelernt habe, sich eigenständig Schulstoff zu erarbeiten. Jedes zweite Kind habe zudem gelernt, mit Krisen gut umzugehen.

Tipps für das neue Schuljahr

  • Fokus und Konzentration wieder auf das Lernen richten: Allein durch das Erhöhen der Lernzeit kann einiges erreicht werden, um Lernverluste aufzufangen. Gleichzeitig gilt es, die Aufmerksamkeit wieder stärker auf die Schule zu lenken – zulasten nicht schulischer Aktivitäten wie der Nutzung von Sozialen Medien oder Computer- und Handyspielen.
  • Lernschwächere Kinder wirklich in den Mittelpunkt rücken: Obwohl sie oft im Mittelpunkt der Debatten stehen, haben lernschwächere Schülerinnen und Schüler noch nicht die Förder- und Unterstützungsmaßnahmen bekommen, die sie brauchen. Oftmals helfen ein motivierendes Gespräch, das Vermitteln von Kontakten und Informationen über Angebote vor Ort sowie ein Gesprächsangebot an die Eltern.
  • Offenheit für Gespräche nutzen: Kinder haben nicht nur während der Lockdowns sozial und emotional stark gelitten. Viele leiden auch während der Präsenzzeit erheblich. Durch Corona sind emotionale Fragen und Sorgen stärker in den Fokus gerückt, es ist leichter geworden, darüber zu sprechen. Darauf kann man im Gespräch mit den Schülern aufbauen.
  • Positives jetzt verstärken: Viele Kinder haben sich im Lockdown Stärken erkämpft: Sie können besser mit Krisen umgehen, haben das eigenständige Arbeiten trainiert. Diese wertvollen Kompetenzen gilt es jetzt durch gezielte Übungen und Gesprächsangebote zu stärken.

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Quelle

Studie des ifo Instituts: https://www.ifo.de/publikationen/2021/aufsatz-zeitschrift/bildung-erneut-im-lockdown-wie-verbrachten-schulkinder-die

Schlagworte:

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