Schulrecht / 01.04.2020

"Und jeder besorgt sich dann ein Tablet"

Schulrechtsfall April 2020

Dass sich Lehrkräfte ihr Büromaterial auf eigene Kosten anschaffen müssen, ist ja seit Jahrzehnten leider Standard. Aber gilt das auch für teure elektronische Geräte?

Bild: stock.adobe.com/Corgarashu

Fall:

Die Schule, an der unsere beiden sympathischen Lehrkräfte, Anna Nass und Peter Sielje, unterrichten, gehört inzwischen zu den Vorreitern der Digitalisierung. Deshalb gibt es dort demnächst – gesponsert von einem amerikanischen Unternehmen, dessen Namen wir nicht nennen – iPad-Klassen für die höheren Jahrgänge. Die zuständigen Konferenzen haben beschlossen, dass die Schüler dieser Klassen sich ein iPad anschaffen, für das es von der Firma einen erheblichen "Bildungsrabatt" gibt. Dadurch werden die sonst recht teuren Geräte erschwinglich. Auch der Schulträger beteiligt sich über den "Digitalpakt" an dem Projekt und finanziert die entsprechenden zusätzlichen Geräte wie Ladestationen, Fernseher oder Beamer.   

Leider scheint diese finanzielle Unterstützung nicht für die Lehrkräfte gelten. Denn sie sollen sich wie die Schüler auf eigene Kosten jeweils ein iPad anschaffen, damit sie in den betreffenden Klassen unterrichten können. Karl Rotte, unser dynamischer Schulleiter, bringt es auf den Punkt: "Sie besorgen sich dann bitte bis zum Beginn des neuen Schuljahres ein iPad." Die Argumente von Anna und Peter, aber auch von anderen Lehrkräften, dies seien ja erhebliche Investitionen, die man von ihnen verlange, bügelt er kurzerhand ab: Zum einen würden sie dieses Gerät ja zu einem Super-Sonder-Vorzugspreis bekommen, zum anderen hätten sie die Möglichkeit, das famose Gerät auch privat zu nutzen.

Anna und Peter sind davon nicht überzeugt, denn sie bevorzugen Tablets von Microsoft (und Google) und besitzen deshalb schon die entsprechenden Geräte. Was also sollen sie mit einem zusätzlichen Tablet, das ihnen nicht optimal gefällt? Nur damit sie ihren Beruf ausüben können? 

„Und jeder besorgt sich dann ein Tablet!“ - Schulrechtsfall des Monats April 2020 - Schulrechtsfall

„Und jeder besorgt sich dann ein Tablet!“ - Schulrechtsfall des Monats April 2020

Schulrechtsfall

Rechtsfrage:

Müssen die Kollegen sich privat ein iPad anschaffen?

Antwort:

Natürlich nicht. Das wäre ja noch schöner. 

Kommentar:

Natürlich darf eine Schule sich für die Lehrwerke eines bestimmten Verlages oder für technische Geräte einer Firma entscheiden. So wie unsere Musterschule, die sich hoffentlich darüber im Klaren ist, in welche Abhängigkeit sie sich damit begibt. Aus der Entscheidung für eine bestimmte Computerfirma folgt für die Lehrkräfte jedoch nicht die Verpflichtung, sich ein solches technisches Gerät auf eigene Kosten anzuschaffen. Denn Lehrkräfte arbeiten ja nicht als Selbständige, sondern für einen Arbeitgeber (Dienstherrn), der verpflichtet ist, ihnen die notwendigen Arbeitsgeräte zur Verfügung zu stellen. Oder muss der Schweißer von Thyssen sich privat ein Schweißgerät kaufen, damit er für Thyssen arbeiten kann? Muss der Arbeiter in einem Logistikzentrum seinen eigenen Gabelstapler mitbringen? Und muss der Koch im Restaurant (auf den ich nachher noch einmal komme) die Töpfe und Pfannen, mit denen er arbeitet, selber kaufen? Natürlich nicht. Vielmehr ist es die Pflicht des Arbeitgebers, seinem Personal die benötigten Arbeitsmaterialien unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.

Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Urteilen, die diese – eigentlich ganz selbstverständliche – Rechtsauffassung ebenfalls für Lehrkräfte bestätigen. Aber die zentrale Weichenstellung liegt im Urteil des OVG Koblenz vom 26.02.2008. Hier wird festgestellt, dass alle Arbeitsmaterialien, die für die Durchführung des Unterrichts zwingend erforderlich sind, vom Dienstherrn bzw. vom Schulträger zu stellen sind. Denn Letzterer ist für die sächliche Ausstattung der Schulen (Inventar, Lehrbücher) verantwortlich. Damit kommen wir zu den Feinheiten: Erstens: Wenn ein persönliches iPad zwar eine Erleichterung für die jeweilige Lehrkraft darstellen würde, der Unterricht jedoch auch ohne Tablet möglich wäre, dann braucht dieses nicht schulseitig gestellt zu werden. Die Anschaffung wäre dann eine private Entscheidung der Lehrkraft. So, wie sich ein Koch auf eigene Kosten ein privates Messerset anschafft, weil er mit diesem besser arbeiten kann.

Zweitens: Falls das Gerät zwingend erforderlich ist, dürfen die Kollegen sich nicht einfach so ein iPad kaufen und davon ausgehen, sie würden die Kosten hinterher schon ersetzt bekommen. Vielmehr muss der Bedarf vorher bei der Schulleitung angemeldet werden, damit diese (bzw. der Schulträger) dann für größere Sammelbestellungen etwaige Mengenrabatte nutzen kann.

Und drittens sollte klar sein: Ein solches Tablet, das die Kollegen bekommen, wird nicht ihr Eigentum. Sie bekommen es lediglich geliehen, so lange sie in einer iPad-Klasse unterrichten, müssen es aber, sobald sie es nicht mehr benötigen, wieder an die Schule zurückgeben. Das ist etwas kompliziert, hat aber den Vorteil, dass jetzt die Schule für die Einsatzfähigkeit des iPads verantwortlich ist und nach einer bestimmten Zeit alte Geräte gegen neue austauschen muss.

Anna und Peter sind mit dieser Auskunft hochzufrieden, weil sie jetzt für den Unterricht in den iPad-Klassen auf schulische Leihgeräte zurückgreifen können. Anderen Kollegen ist das zu kompliziert und sie kaufen sich privat ein solches Tablet. Aber das ist ja auch nicht verboten. 

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