Schule gestalten / 23.02.2023

Quereinstieg ins Lehramt

Notlösung oder Chance?

Quereinstiege sind Realität in den Schulen. In manchen Bundesländern würde die Schule ohne dieses Modell wohl gar nicht mehr funktionieren. Und die Zahl der Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger wird eher wachsen als sinken, denn es ist erwiesen, dass der Lehrermangel in den nächsten Jahren zunehmen wird. Die Frage lautet nur: Wie kann aus dem Einstieg ein Erfolg für alle Beteiligten werden?

Quereinsteigerin im Klassenzimmer
Bild: Shutterstock.com/Jacob Lund

Die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz hat gerade in ihren öffentlich heftig diskutierten „Empfehlungen zum Umgang mit dem akuten Lehrermangel“ verschiedene Maßnahmen empfohlen, die den Mangel zumindest lindern sollen. Dabei legt sie den Schwerpunkt weniger auf den Quereinstieg, als vielmehr auf pädagogisch qualifizierte Fachkräfte, die zum Beispiel ihre Teilzeit erhöhen, aus dem Ruhestand kommen oder auch fach- und schulformfremd unterrichten sollen. Ob und wie diese Empfehlungen umgesetzt werden, wird von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sein und gewiss nicht von heute auf morgen passieren. Quereinsteiger bleiben also für den Schulbetrieb unerlässlich.

Neu im Lehrberuf - Schnell kompetent auftreten und sicher handeln im Berufseinstieg, Quereinstieg und Seiteneinstieg - Buch

Neu im Lehrberuf

Schnell kompetent auftreten und sicher handeln im Berufseinstieg, Quereinstieg und Seiteneinstieg

Buch
Scriptor Praxis - Unterrichts-Einstiege (12., überarbeitete Auflage) - Buch

Unterrichts-Einstiege (12., überarbeitete Auflage)

Scriptor Praxis

Buch

Laut Kultusministerkonferenz sollen bis 2035 insgesamt etwa 24.000 Lehrkräfte fehlen. Nach Berechnungen des Bildungsforschers Klaus Klemm könnte dieser Mangel erheblich höher liegen, nämlich bei 85.000 Lehrkräften. Und das heißt auch: Die Anzahl der Quereinstiege wird wachsen müssen. Im bundesweiten Schnitt lag der Anteil der Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger bei den Neueinstellungen in den vergangenen Jahren bei mehr als zehn Prozent, in Berlin betrug diese Quote im Jahr 2021 sogar rund 60 Prozent. Und selbst Bayern, das noch vor wenigen Jahren komplett auf den Quereinstieg verzichten konnte, setzt mittlerweile auf dieses Modell. Seit dem Schuljahr 2021/22 gibt es hier erstmals Quereinsteigende in den Vorbereitungsdienst an Mittelschulen.

Leitfaden Schulpraxis (12. Auflage) - Pädagogik und Psychologie für den Lehrberuf - Buch

Leitfaden Schulpraxis (12. Auflage)

Pädagogik und Psychologie für den Lehrberuf

Buch
Pädagogik am Gymnasium - Praxiswissen für den Berufseinstieg - Buch

Pädagogik am Gymnasium

Praxiswissen für den Berufseinstieg

Buch

Was heißt eigentlich Quereinstieg?

Quereinsteigende haben in der Regel anstelle des Lehramtsstudiums ein fachwissenschaftliches Studium absolviert. Mit diesem Studium bekommen sie dann zwei Unterrichtsfächer an der Schule zugewiesen, etwa bei einem Physikstudium die Fächer Physik und Mathematik. Damit können sie dann direkt in das Referendariat einsteigen und damit, so wie „reguläre“ Referendarinnen und Referendare, auch unterrichten. Dabei gibt es von Bundesland zu Bundesland aufgrund der Länderhoheit Unterschiede. So müssen gelegentlich vor dem Referendariat noch Lehrveranstaltungen an der Universität besucht werden. Im Unterschied dazu sind die Seiteneinsteiger/-innen durch ihr Studium nur für ein Schulfach qualifiziert und müssen keinen Vorbereitungsdienst absolvieren.

Praxisbuch Meyer - Unterrichtsmethoden I - Theorieband (20., komplett überarbeitete Neuauflage) - Buch mit einer didaktischen Landkarte

Unterrichtsmethoden I - Theorieband (20., komplett überarbeitete Neuauflage)

Praxisbuch Meyer

Buch mit einer didaktischen Landkarte
Praxisbuch Meyer - Unterrichtsmethoden II - Praxisband (17., komplett überarbeitete Neuauflage) - Buch mit zwei didaktischen Landkarten

Unterrichtsmethoden II - Praxisband (17., komplett überarbeitete Neuauflage)

Praxisbuch Meyer

Buch mit zwei didaktischen Landkarten

Bereicherung oder Niveauabfall?

Oft werden Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger als Notlösung oder als Risiko wahrgenommen. Dabei wird gern übersehen, dass sie meist sehr engagiert in den Beruf einsteigen und dass sie außerdem viele Kompetenzen mitbringen. Etwa ihre Berufserfahrungen außerhalb von Schule, die sie – anders als die meisten Lehrkräfte – gemacht haben und dank derer sie das „richtige Leben“ an die Schule bringen können. Eine Bereicherung also für die Schülerinnen und Schüler und die gesamte Schule. 

Die Studie „Unterschiedliche Wege ins Lehramt – unterschiedliche Kompetenzen?“, die im Jahr 2020 von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität Potsdam veröffentlicht wurde, hat gezeigt, dass die Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger eine starke inhaltliche Nähe zu dem von ihnen unterrichteten Fach aufweisen – schließlich war es im Studium einmal ihre erste Wahl. In fachlicher Hinsicht schneiden sie demnach also nicht schlechter ab als reguläre Lehramtsanwärterinnen. 

Darüber hinaus belegte die Studie mehr Stressresistenz bei den Quereinsteigerinnen. Und sogar die fachdidaktischen Kompetenzen waren bei beiden Gruppen erstaunlicherweise auf einem ähnlichen Niveau. Weniger gut waren allerdings die pädagogisch-psychologischen Kenntnisse der Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger. Vor einem grundsätzlichen Niveauabfall des Unterrichts warnt in diesem Zusammenhang der Deutsche Philologenverband und hat jetzt die Kultusministerkonferenz aufgefordert, endlich die überfälligen Qualitäts-Standards für die anspruchsvolle Nachqualifikation von Quer- und Seiteneinsteigern in das Lehramt vorzulegen. 

Wer Quer- und Seiteneinsteiger ins Lehramt aufnehme, der müsse auch dafür sorgen, dass diese so ausgebildet sind, dass sie nicht nach wenigen Jahren wieder aussteigen. Eine Forderung, die auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft stellt. Sie unterstützt grundsätzlich den Vorschlag, weiteres Personal zur Entlastung und Unterstützung von Lehrkräften einzusetzen, allerdings nur, wenn auch eine nachhaltige Qualifikation gesichert sei.

Fachdidaktik für die Grundschule - Deutsch (7. Auflage) - Didaktik für die Grundschule - Buch

Fachdidaktik für die Grundschule

Deutsch (7. Auflage) · Didaktik für die Grundschule

Buch
Fachdidaktik - Deutsch-Didaktik (7., überarbeitete Neuauflage) - Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II - Buch

Deutsch-Didaktik (7., überarbeitete Neuauflage) · Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II

Fachdidaktik

Buch

Gute Lösungen – was können Schulen tun?

Solange es aber diese einheitlichen Standards für die Nachqualifikationen nicht gibt, sind wohl die Schulen selbst gefordert, aktiv zu werden. Denn Quereinsteigerinnen müssen sich irgendwie das pädagogische Wissen und das Wissen über Unterrichtsmethoden aneignen, das grundständig ausgebildete Lehrkräfte während ihres Studiums erwerben. Sie brauchen also neben einer Einarbeitungszeit auch tatkräftige Unterstützung des Kollegiums und der Schulleitung. Das ist nicht immer einfach. Schließlich stehen Schulleitungen und Lehrkräfte unter enormem Druck und können diese Unterstützung oftmals nicht leisten. Sie wissen nicht, woher sie die dafür notwendige Zeit nehmen sollen. 

Doch es gibt gute Beispiele und kreative Lösungen, wie Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger auf ihrem Weg unterstützt werden können. Etwa das Berliner Patenprogramm, das in der Regel noch vor dem ersten Unterrichtstag beginnt und bei dem über sechs Phasen hinweg Quereinsteigende in ihrem schulischen Alltag unterstützt werden. Ebenfalls in Berlin hat die GEW ein Programm aufgelegt,  bei dem Lehrkräfte aus dem Ruhestand ehrenamtlich die Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger begleiten. Beispiele, die auch von anderen Bundesländern oder auch nur von einzelnen Schulen adaptiert werden könnten.

Gut auch, wenn an den Schulen trotz aller Belastung noch Zeit für ein Mentorenprogramm mit Hospitationen bleibt. Aus den Hospitationen lässt sich oft mehr lernen als aus einem Fachbuch. Und profitieren können dabei beide: Mentorinnen und Mentoren sowie die Quereinsteigenden. Schließlich können in einem solchen Austausch viele neue Ideen entstehen – gerade, wenn die Beteiligten ganz unterschiedliche Erfahrungen mitbringen.

Und es gibt noch mehr Möglichkeiten. So lässt sich an der Schule auch ein Gesprächskreis etablieren, der sich mit verschiedenen Themen des Schulalltags beschäftigt, angefangen von Unterrichtsstörungen über Schulentwicklung oder differenzierten Unterricht bis zu Rechtsvorschriften oder Elterngesprächen. Allesamt Themen, die nicht nur für die Neuen wichtig sind. Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger können überdies in einem solchen Gesprächskreis ihre bisherigen beruflichen Erfahrungen einbringen. Das kann für Lehrkräfte, die ihr gesamtes Berufsleben an der Schule verbracht haben, ein interessanter Input sein. Außerdem können Quereinsteigende Kontakte zu Expertinnen und Experten vermitteln, die den Unterricht bereichern. Sie können die Schulen auch bei der Suche nach Praktikumsplätzen oder Betriebsbesichtigungen und Exkursionen unterstützen. Wenn sich möglichst viele Lehrkräfte für einen solchen Gesprächskreis engagieren, lastet die Verantwortung – und die Arbeit – nicht nur auf einer Person.

Der gute Wille und das Engagement vor Ort sind also ein entscheidender Faktor für einen gelingenden Quereinstieg. Aber damit allein ist es auf Dauer nicht getan. Oder wie es der Erziehungswissenschaftler Ewald Terhart auf einer Fachtagung des Netzwerks Bildung der Friedrich-Ebert-Stiftung im März 2019 formulierte: „Die Akteure in der Lehrerbildung und am Ende die KMK sollten Mindeststandards für die Gewinnung, Qualifizierung und Beschäftigung von Seiten- und Quereinsteiger_innen erarbeiten. Denn Seiten- und Quereinsteiger_innen gab es schon immer und wird es immer geben. Es ist sinnlos und unverantwortlich, den Blick davor zu verschließen.“

Quereinstieg ins Lehramt

Aller Anfang ist schwer, insbesondere, wenn Sie ohne methodisch-didaktische Grundlagen den Sprung in den Lehrberuf wagen. Mit unseren Titeln landen Sie jedoch garantiert weich im Schulalltag. Auf den Punkt gebracht und praxistauglich liefern Sie Ihnen Unterstützung und Impulse für die Unterrichtsgestaltung und den Umgang mit Schülerinnen und Schülern.

Fortbildungen der Cornelsen Akademie

Lernprozesse effektiv und gehirnfreundlich gestalten und Unterrichtsstörungen vermeiden
Sie erweitern Ihre Kenntnisse über den Aufbau der Persönlichkeit und Motivation. Mit ihrer Hilfe können Sie sich selbst und Ihre Schülerinnen und Schüler besser verstehen und vor allem gezielt handeln, so dass Ihr Unterricht effektiv, störungsarm verlaufen kann.

Umgang mit Ungewissheit im pädagogischen Handeln
In ihrer Schulpraxis und insbesondere im pädagogischen Handeln haben es Lehrkräfte immer wieder mit völlig neuen Situationen und höchst unterschiedlichen Menschen zu tun. Damit geht häufig ein hohes Maß an Ungewissheit und vielleicht sogar Unsicherheit einher. In diesem Live-Online-Seminar wollen wir uns diesem sensiblen Themenfeld widmen.

Schlagworte:

11.03.2024
Schulhöfe naturnah gestalten
Warum Schulhöfe eine wichtige Funktion für das Schulleben, für das Quartier und für die Umwelt haben
Versiegelte Flächen, vielleicht noch ein Sandkasten und ein paar Bänke: Viele Schulhöfe in Deutschland laden nicht gerade zum Entdecken und Erkunden oder zum Entspannen ein. Doch es geht auch anders. Schulhöfe können Orte des Lernens und der Erholung sein, hier kann Natur erfahren werden und sie kön... Weiterlesen
23.01.2024
Detlef von Elsenau über Bildung für nachhaltige Entwicklung und ihre Auswirkung auf die Schule
„Wir haben die große Chance, eine zukunftsfähige Schule aufzubauen“
Im Jahr 2015 hat die UNESCO die Agenda 2030 verabschiedet. Die 193 Mitgliedsstaaten haben sich darin dazu verpflichtet, die 17 Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) für eine sozial, wirtschaftlich und ökologisch nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Bildung für nachhal... Weiterlesen
18.12.2023
Einen Klassenrat einführen
Demokratie und Mitbestimmung frühzeitig lernen
Wie lernen Kinder Demokratie? Am besten hautnah und dort, wo täglich für sie wichtige Entscheidungen anstehen. Dafür gibt es an den Schulen seit langem die Schülermitverwaltung, die allerdings in erster Linie die Interessen der Gesamtschülerschaft im Blick hat. Doch wie sieht es mit der eigenen Klas... Weiterlesen
04.12.2023
„In Maker Education steckt viel von moderner Bildungshaltung“
Selbstwirksamkeit und interessengeleitetes Lernen sind entscheidend
Vor gut zwanzig Jahren entstanden in den USA die ersten Makerspaces, offene Werkstätten – meist im universitären Kontext –, in denen Menschen sowohl mit herkömmlichen als auch mit digitalen Werkzeugen gemeinsam etwas Konkretes entwickeln und produzieren konnten. Schnell entwickelte sich daraus eine ... Weiterlesen