Schule gestalten / 28.06.2023

Wie Schulhunde die Qualität des Unterrichts verbessern können

Ein besseres Klassenklima, eine bessere Kommunikation und ein besseres Lehrer-Schüler-Verhältnis

Ein Hund im Klassenzimmer, das ist in etlichen Schulen bereits nichts Ungewöhnliches mehr. Doch was bewirken Schulhunde eigentlich, wie und wo können sie eingesetzt werden? Wann ist ihr Einsatz eher nicht empfehlenswert? Und welche Voraussetzungen müssen Lehrkräfte und ihre Hunde erfüllen? Das haben wir Alexandra Biegler gefragt, die seit vielen Jahren mit Schulhunden arbeitet und jetzt einen Ratgeber für Lehrkräfte veröffentlicht hat.

Hand und Hundepfote
Bild: Shutterstock.com/OlgaOvcharenko

Frau Biegler, was ist ein Schulhund?

Alexandra Biegler: Der Begriff Schulhund meint sowohl einen Hund, der regelmäßig in die Schule kommt, als auch einen Hund, der nur ein paar Mal mitkommt wie etwa ein Schulbesuchshund oder ein Lesehund, der zur Leseförderung eingesetzt wird. Alle brauchen eine Ausbildung und spezielle Versicherungen. Dazu kommen Gesundheitszeugnisse und regelmäßige Impfungen.
 

Bleiben wir beim Schulhund, der regelmäßig in die Schule kommt. Welche Voraussetzungen und welche Ausbildung braucht er?

Alexandra Biegler: Der Hund muss eine Schulhundeausbildung durchlaufen und bildet ein spezielles Team mit seiner Besitzerin oder seinem Besitzer. In dieser Ausbildung finden die beiden sich als Team zusammen. Zur Ausbildung beim Hund gehört unter anderem Grundgehorsam und die Gewöhnung an schulrelevante Reize. Am Ende stehen dann eine Theorieprüfung und eine Praxisprüfung.
 

Welche Kriterien muss der Hund erfüllen?

Alexandra Biegler: Die Grundvoraussetzung: Der Hund muss gesund sein. Er braucht ein Gesundheitszeugnis, ein regelmäßiges Update des Tierarztes, Impfungen und Wurmkuren. All dies kommt in die sogenannte Schulhundeakte. Der Hund sollte außerdem am Menschen orientiert und interessiert, absolut verträglich mit Kindern und gehorsam sein.

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Ratgeber

„Es gibt eine Menge Faktoren, die vorher abgeklärt sein müssen“

Was muss in der Schule vorbereitet werden?

Alexandra Biegler: Die Schulleitung muss zustimmen, auch die Gesamtkonferenz und die Schulkonferenz sollten zustimmen. Denn ein Schulhund sollte vom Kollegium und von den Eltern gewünscht sein. Von großem Vorteil ist es auch, wenn es Kolleginnen und Kollegen gibt, die in ihren Freistunden mit dem Hund spazieren gehen. Schüler können das nicht übernehmen, weil sie ja das Schulgelände nicht verlassen dürfen. Unabhängig davon würde ich die Kinder nicht allein mit dem Hund zum Spaziergang schicken. Man sollte sein Tier nicht in die Obhut eines Minderjährigen geben, denn es kann immer Unvorhergesehenes passieren. Auch brauche ich Kolleginnen und Kollegen, die einspringen können, wenn ich Vertretungsunterricht übernehmen muss. Es gibt eine Menge Faktoren, die vorher abgeklärt sein müssen. Und am besten ist es, wenn alle überzeugt sind und sagen: Ja, wir probieren das aus. Auch in den Klassen. Aber wenn jemand dagegen ist, dann bringt es gar nichts, etwas aufzuzwingen. Denn es soll ein Zusatzangebot sein, von dem alle profitieren.
 

Wie ist es, wenn Eltern dagegen sind, oder sagen, mein Kind ist allergisch gegen Hundehaare?

Alexandra Biegler: Dann würde ich keinen Schulhund in diese Klasse mitnehmen. Es müssen alle zustimmen, denn es ist ein freiwilliges Angebot. Es kann auch sein, dass einzelne Kinder den Hund ablehnen. Auch dann würde ich darauf verzichten und würde keine Überzeugungsarbeit leisten wollen. Es gibt immer noch die Möglichkeit, eine Schulhund-AG anzubieten. Auch für Anfänger würde ich das empfehlen. Denn in einer solchen AG gibt es niemanden, der reserviert gegenüber dem Hund ist. Alle Schülerinnen und Schüler sind davon begeistert.
 

Wie sieht der erste Schultag des Hundes aus?

Alexandra Biegler: Bei meinen Hunden habe ich es immer so gehandhabt, dass ich sie zunächst in den Ferien mitgenommen habe, wenn das Gebäude leer war. Dann können sie einfach alle Räume erkunden, alle Gerüche wahrnehmen. Denn Schulräume sind nun einmal anders als das gewohnte Zuhause. Und dann kommen am Ende der Ferien die ersten Kollegen, das Schulhaus wird belebter und es wird mit der Zeit lauter.

Regeln für die Klasse aufstellen

Angenommen, alle Beteiligten haben zugestimmt - wie gewöhnen Sie den Hund an die Klasse, beziehungsweise die Klasse an den Hund?

Alexandra Biegler: Zunächst gibt es natürlich die Klasse ohne den Hund. Und zur Vorbereitung mache ich gern ein Projekt zum Thema Hund. Was ist der Hund für ein Tier? Wie verhält er sich? Warum verhält er sich so wie er sich verhält? Und es werden Regeln für die Klasse aufgestellt. Die sind aber auch individuell, je nach Klasse und Lehrkraft. In meinem Buch nenne ich verschiedene Regeln und die Lehrkräfte sollten wählen, welche Regeln für sie am wichtigsten sind. Dazu gehört zum Beispiel, dass die Schülerinnen und Schüler nicht im Klassenraum umherrennen oder dass die Pausenbrote nicht offen herumliegen. Wenn dies alles geklärt ist, kommt der Hund zum ersten Mal mit. Manche Kollegen machen dann ein ganz anderes Setting als sonst und stellen alle Tische und Stühle an die Seite. Die Schüler sollen sich dann auf die Stühle setzen und den Hund beobachten. Ich finde, das ist für den Hund sehr unangenehm. Ich habe immer das Setting gelassen und die Schüler haben eine Stillaufgabe bekommen. Das heißt, sie waren beschäftigt. Und sie hatten die Instruktion, sich nicht um den Hund zu kümmern, ihn einfach links liegen zu lassen. Dann kam der Hund in den Klassenraum, ich habe ihn abgeleint und er konnte ganz entspannt durch den Raum gehen und schnüffeln.
 

Und wie geht es dann weiter?

Alexandra Biegler: In der zweiten Stunde beginnen wir zunächst wie beim Kennenlernen, danach gibt es vielleicht schon einen kleinen Arbeitsauftrag und der Hund bringt zum Beispiel eine Mappe mit Arbeitsblättern zu einem Schüler, die dieser dann austeilt. Und danach verbringt der Hund den Rest der Stunde einfach in der Klasse. Ganz wichtig: Er braucht einen Rückzugsort innerhalb der Klasse, wo er auch seine Ruhe hat. Ich nehme meinen Hund auch gern mit, wenn Arbeiten geschrieben werden. Das nimmt erstaunlich viel Stress aus dieser Prüfungssituation. Er läuft in der Klasse umher und die Schüler schreiben ihre Arbeit. Da passiert erst einmal nichts Großartiges. Aber großartig ist, wie sich die Atmosphäre positiv verändert. Denn ein Hund beruhigt ungemein.

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„Ein Hund macht mit Sicherheit aus einer Problemklasse keine Superklasse“

Aber es gibt es doch gewiss noch weitere Aufgaben für einen Schulhund?

Alexandra Biegler: Es gibt die Vorstellung, in der Klasse würde es viel ruhiger mit einem Hund. Aber der Hund ist nicht dafür da, eine Klasse ruhig zu stellen, damit man dann die Klasse besser unterrichten kann. Er macht mit Sicherheit aus einer Problemklasse keine Superklasse. Wenn ich als Lehrer nicht imstande bin, der Klasse angemessenes Verhalten beizubringen, dann macht das auch kein Hund. Der Hund ist ja nur mein Begleiter und kein eigenständiger Lehrer. Durch seinen Einsatz wird die Qualität des Unterrichts gesteigert. Und auch das Lehrer-Schüler-Verhältnis wird optimiert, ebenso die Kommunikation innerhalb der Klasse. Wenn sich zum Beispiel zwei Kinder, die sich nicht so gut verstehen, gemeinsam mit dem Hund beschäftigen, dann kommen sie ins Gespräch und merken oft, so übel ist der andere gar nicht. Insgesamt wird also das gesamte Klassenklima verbessert.
 

Gibt es noch weitere Beispiele für die aktive Beteiligung des Hundes am Unterricht?

Alexandra Biegler: Dafür gibt es viele Beispiele, die ich auch in meinem Buch vorstelle. So kann man etwa Drehräder mit Mathematikaufgaben oder Deutschaufgaben bestücken, und der Hund dreht mit seinen Pfoten am Rand und wählt so die Aufgabe aus. Oder es gibt spezielle Hundetaschen, mit denen die Hunde etwas apportieren können.

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„Coole Jungs zeigen plötzlich eine ganz andere Seite“

Aber das funktioniert dann nicht mehr in der Oberstufe, oder?

Alexandra Biegler: Das funktioniert auch in der Oberstufe. Man glaubt gar nicht, wie diese großen Schüler auf einmal ihre Begeisterung für Aufgaben entdecken. Die Mathegleichungen oder die Lektüren im Deutschunterricht werden plötzlich total spannend. Was mich immer wieder fasziniert: Wenn man in der Oberstufe so ein paar richtig coole Jungs hat, die sich von nichts beeindrucken lassen und bei der ersten Begegnung mit Hund plötzlich ganz liebevoll sagen „Was bist du denn für ein süßer Fratz, komm doch mal her“, und damit eine ganz andere Seite von sich zeigen. Das ist schon beeindruckend.
 

Müssen die Kinder dann auch Verantwortung übernehmen?

Alexandra Biegler: Ja, genau. Es gibt verschiedene Hundedienste. Spielzeug wegräumen, immer dafür sorgen, dass frisches Wasser da ist, zum Beispiel. Man kann auch einen Staubsaugerdienst organisieren.
 

Und welche Probleme können auftreten?

Alexandra Biegler: Ich habe immer darauf geachtet, dass alles auf ganz freiwilliger Basis lief und alle einverstanden waren. Deswegen kann ich auch nicht von eigenen Problemen berichten. Ich weiß aber von Kollegen, die ihren Hund guter Dinge mitgenommen haben, und dann war die Klasse extra laut. Oder Schüler, der nicht so gut mit dem Lehrer auskamen, wollten ihm über den Hund schaden. Das würde ich keinem Hund zumuten. Da würde ich meine eigenen Hunde sofort rausziehen.
 

Was sollte man zum Wohlergehen des Hundes auf jeden Fall bedenken?

Alexandra Biegler: Wichtig ist, dass man ihn nicht zu oft einsetzt. Man muss den Hund nicht täglich mit in die Schule nehmen. Ich habe es bei meinen Hunden immer so gehandhabt: So wenig wie möglich, so viel wie nötig. Einfach, damit es dem Hund Spaß macht und nicht in Stress ausartet. Auch sollte man nicht ständig die Klassen wechseln, weil der Hund sich dann immer umgewöhnen muss.
 

Wie alt sollte ein Schulhund mindestens beziehungsweise höchstens sein?

Alexandra Biegler: Ich habe meine Hunde mit zwei Jahren richtig eingesetzt. Denn der Hund muss in seinen Charakter gefestigt und er muss sozialisiert sein. Die Altersgrenze, bis wann man Schulhunde einsetzt, ist unterschiedlich je nach Konstitution des Hundes. Ich habe meine Hunde mit sieben oder acht Jahren rausgenommen. Dann wollen die Hunde meist mehr Ruhe und schlafen auch viel mehr.

„Das ist einfach eine Leidenschaft“

Sie müssen die Anwesenheit des Hundes in Ihre Unterrichtsvorbereitung miteinbeziehen – das heißt, Sie haben einen größeren Aufwand?

Alexandra Biegler: Ja, es bedeutet in der alltäglichen Arbeit schon mehr Aufwand. Es kommt zwar immer darauf an, welche Themen ich gerade unterrichte, aber ich muss mir immer überlegen, wie ich den Hund einbeziehe, wenn ich ihn aktiv am Unterricht teilnehmen lassen will. Natürlich ist es auch so, dass ich mit ihm jeden Tag trainieren muss. Er muss seine alten Tricks trainieren, damit er sie nicht vergisst. Er muss neue Tricks dazu lernen. Er braucht aber auch Entspannung und lange Spaziergänge. Aber das gilt für alle Hunde.
 

Warum nehmen Sie diese Mühen auf sich?

Alexandra Biegler: Ganz einfach: Das ist eine Leidenschaft. Man wird ja nicht Lehrer wegen der Ferien oder wegen des Geldes, sondern weil es eine Berufung ist. Man muss Kinder lieben, man muss seinen Beruf lieben. Genauso ist es auch mit dem Schulhund. Es ist eigentlich eine ehrenamtliche Zusatzleistung, weil man seinen Unterricht qualitativ verbessern möchte, weil man Spaß an den Schülern hat, weil man Spaß hat zu sehen, wie Kinder oder Jugendliche und Tiere zusammen agieren und was das bewirken kann. Das ist einfach eine Leidenschaft und die muss man haben.

Zur Person
Alexandra Biegler ist Gymnasiallehrerin und war 18 Jahre im Schuldienst an verschiedenen Schulformen tätig, davon zehn Jahre als Oberstudienrätin bzw. Rektorin in der Schulleitung. Sie war bis 2012 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, promoviert heute zum Thema „Schulhund“ an der Universität Landau und ist Dozentin für den Masterstudiengang Schulmanagement an der TU Kaiserslautern. Sie besitzt selbst drei Schulhunde, mit denen sie jede Menge Erfahrungen sammeln konnte.

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