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Differenzieren & Fördern / 22.06.2018

Mit Fantasie und Fingerspitzengefühl

Interview mit Julia Podelo

Julia Podelo forscht an der Universität Bamberg zur Didaktik der deutschen Sprache. Zudem betreut sie das praktische Projekt "Auftakt" bei dem Studentinnen und Studenten in Bamberg und Nürnberg unbegleitete minderjährige Geflüchtete unterrichten. Im Interview spricht Julia Podelo über ihre Erfahrungen.

Eine Lehrerin hilft einem Kind in einem Klassenzimmer beim Schreiben.
Bild: Shutterstock.com/wavebreakmedia

Interview mit Julia Podelo

Welche Qualifikationen sollten Lehrer/-innen, die Kinder aus geflüchteten Familien unterrichten, mitbringen?

Julia Podelo: Gut ist es auf alle Fälle, wenn sie besonders neugierig sind. Damit meine ich vor allem eine interkulturelle Neugier, die Lust, sich in fremde Kulturen hineinzufinden und Anknüpfungspunkte zu finden. 

Dazu sollten Pädagoginnen und Pädagogen, die geflüchtete Kinder und Jugendliche unterrichten, noch flexibler sein, als Lehrer es ohnehin sein müssen. Denn man muss sich verabschieden von dem Gedanken, dass die Schüler/-innen immer zum Unterricht kommen können. Viele haben traumatische Erfahrungen gemacht, die es ihnen erschweren, zuverlässig am Unterricht teilzunehmen. 

Nicht zuletzt ist eine große Erfahrung mit unterschiedlichen Unterrichtsmethoden sehr hilfreich. Man muss oft schnell reagieren und den Jugendlichen verschiedene Wege anbieten, den Stoff zu lernen. Da hilft es, wenn man aus einer breiten Methodenkenntnis schöpfen kann.

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Wie können die teils sehr unterschiedlichen Lernniveaus der Kinder – von Analphabeten bis zu Kindern mit ganz guten Deutschkenntnissen – im Unterricht aufgefangen werden?

Julia Podelo: Die Unterschiede können in der Tat sehr groß sein. Wir haben zum Beispiel die Erfahrung gemacht, dass es manchmal ein halbes Jahr braucht, um selbstständiges Arbeiten allein oder in kleinen Gruppen zu trainieren. Manche Schüler/-innen kennen kulturell bedingt nur den Frontalunterricht, mit dem man angesichts der verschiedenen Lernniveaus der Schüler/-innen aber nicht weit kommt.

Wir haben teils sehr gute Erfahrungen damit gemacht, wenn schwächere und stärkere Schülerinnen und Schüler zusammen lernen und die Stärkeren quasi als Mentoren unterstützen und helfen.

Welche Unterrichtsmaterialien nutzen Sie?

Julia Podelo: Wir sind sehr kreativ in der Unterrichtsgestaltung. Ein Lehrbuch, das für alle Schüler/-innen und in die vorgesehene Unterrichtszeit passen würde, gibt es für uns nicht. Deshalb stellen wir viele Unterrichtsmaterialien selbst zusammen. Zum Beispiel, indem wir Fotos und Grafiken zu thematischen Collagen zusammenfassen oder passendes Kartenmaterial im Internet ausfindig machen. Wir nutzen Kurzfilme und Spiele, die wir im Netz recherchieren, aber auch Arbeitsblätter zur Grammatik.

Die Kinder haben traumatische Erfahrungen gemacht. Die kommen hoch, wenn im Unterricht zum Beispiel über die Familie, Freunde oder Wohnen gesprochen wird. Wie können die Lehrer angemessen darauf eingehen?

Julia Podelo: Die Jugendlichen bringen ein gutes Gespür dafür mit, wie weit sie im Unterricht gehen wollen. Manchmal sind sie sehr interessiert, von ihrer Familie oder ihrer Heimat zu erzählen. Andere Themen, vor allem der Tod von Familienangehörigen oder Freunden und die Flucht, sind für sie ein Tabu. 

Wenn wir merken, dass Jugendliche fast apathisch in Tagträume versinken oder Tränen in den Augen haben, reagieren wir behutsam. Wir fragen: "Darf ich dir den Arm auflegen?", oder: "Möchtest du einen Moment rausgehen?"

Wenn wir merken, dass die Jugendlichen sich öffnen und reden möchten, dann hören wir zu – aber wir bohren nicht hinein, fragen nicht intensiv nach. Und wir respektieren es, wenn Schüler sich nicht gut fühlen und deshalb mal nicht zum Unterricht kommen.

Zum Projekt "Auftakt"

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