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Grundschule / 24.03.2025

Wie Grundschulkinder lernen können, sich zu konzentrieren

„In jeder Trainingseinheit wird ein Verhaltensziel erarbeitet“

„Jetzt konzentriere dich doch endlich.“ Eine Aufforderung, die zwar gut gemeint sein mag, aber selten zu einem positiven Ergebnis führt. Gibt es vielleicht andere Herangehensweisen, die Kindern dabei helfen können, sich zu konzentrieren und damit besser zu lernen? Und kann man Konzentration auch trainieren? Ja, meint Sandra Kroll-Gabriel. Sie ist Autorin des Ratgebers „Konzentrationstraining für die Grundschule“.

Schüler in einem Klassenzimmer konzentrieren sich auf ihre Aufgaben an ihren Schreibtischen.
Bild: Shutterstock.com/Pressmaster

Frau Kroll-Gabriel, was bedeutet eigentlich Konzentration?

Sandra Kroll-Gabriel: Konzentration ist als Fähigkeit zu verstehen, die eigene Aufmerksamkeit zielgerichtet über einen begrenzten Zeitraum hinweg auf einen bestimmten Reiz zu richten.
 

Und wie erkenne ich, dass eine Schülerin, ein Schüler unkonzentriert ist?

Sandra Kroll-Gabriel: Die Schüler*innen wirken abwesend oder verträumt. Sie arbeiten relativ langsam und werden mit den Aufgaben nicht fertig. Es fällt ihnen schwer, bei der Sache zu bleiben. Oft ist ein erhöhter Bewegungsdrang bei den Kindern zu beobachten.
 

Welche Folgen kann fehlende Konzentration haben?

Sandra Kroll-Gabriel: Alles dauert sehr lange! Oder die Aufgaben werden sehr oberflächlich bearbeitet. Meist zeigt sich das in den Leistungsergebnissen. Aber auch im Alltag sind die Folgen für die Kinder meist belastend. Dinge werden vergessen oder nicht zu Ende gebracht. Eine Mutter schilderte mir kürzlich, dass sie keine Pausenbox mehr zu Hause hat und ihr Sohn jeden Tag eine neue Box in der Schule vergisst. Auch die Jacken werden im Spind gesammelt, weil das Kind sie dort einfach vergisst und schnell mit den Freunden spielen möchte. Das kennen wir doch alle.


Kann Konzentration trainiert werden und wie geschieht das?

Sandra Kroll-Gabriel: Ja, mit viel Struktur und Regeln. Wichtig ist, dass die Kinder konzentrierte Verhaltensweisen erlernen. Hinzu kommt, dass die einzelnen Komponenten der Konzentrationsfähigkeit trainiert werden müssen. Unser Training ist genauso aufgebaut. Beide Bereiche werden bei den Inhalten berücksichtigt.

„Die investierte Zeit lohnt sich langfristig“

In welchem Rahmen sollte das Konzentrationstraining stattfinden?

Sandra Kroll-Gabriel: Sie können das Training im Klassenverband komplett durchführen. Es ist aber auch möglich, nur einzelne Bausteine daraus zu verwenden. Die einzelnen Übungen können Platz im täglichen Unterricht zur Rhythmisierung finden. Sehr gute Erfahrungen habe ich beim Einsatz des Programms in speziellen Förderkursen mit Kleingruppen gemacht.
 

Können Sie beispielhaft eine Trainingseinheit beschreiben?

Sandra Kroll-Gabriel: In jeder Trainingseinheit wird ein Verhaltensziel erarbeitet. Zum Beispiel, ich warte, bis ich an der Reihe bin. Das wird mit verschiedenen Übungen und Spielformen eingeübt und schließlich in der folgenden Einheit reflektiert. Die einzelnen Aufgaben trainieren immer eine Komponente der Konzentrationsleistung, zum Beispiel die Merkfähigkeit oder auch die Verarbeitungsgeschwindigkeit.
 

Wann ist dafür überhaupt Zeit im Schulalltag?

Sandra Kroll-Gabriel: Zeit hätten wir nie! Aber die investierte Zeit lohnt sich langfristig. Wenn die Schüler*innen konzentrierter arbeiten und lernen, verlieren Lehrkräfte im täglichen Unterrichtssetting weniger Zeit für wiederholende Erklärungen, Ermahnungen und Unterrichtsstörungen.

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Konzentrationsförderung sollte ein Unterrichtsprinzip werden

Kann Konzentrationstraining auch en passant in den Unterricht integriert werden und wie genau kann das ablaufen?

Sandra Kroll-Gabriel: Indem sie die Verhaltensziele erarbeiten, also, was bedeutet es überhaupt konzentriert zu arbeiten. Viele Kinder wissen das nicht. Auf diese Verhaltensweisen sollten Lehrkräfte immer wieder eingehen und sie einzuüben. Dazu stehen ihnen zahlreiche Übungen zur Verfügung. Konzentrationsförderung sollte ein Unterrichtsprinzip werden. Das wäre am effektivsten.
 

Sollte man nicht auch an die Wurzeln gehen, also zum Beispiel die Reizüberflutung durch digitale Medien zum Thema machen, etwa indem man Eltern miteinbezieht?

Sandra Kroll-Gabriel: Absolut. Medienkonsum und die damit verbundene Reizüberflutung ist ein großes Thema. Das richtige Maß ist hier entscheidend. Wir können in der Schule dazu präventiv arbeiten. Die Eltern müssen auf jeden Fall einbezogen werden. Dazu bietet unser Werk zahlreiche Bausteine für die Elternberatung.
 

Wie können Lehrkräfte Ihr Buch am besten nutzen?

Sandra Kroll-Gabriel: Täglich. Es kommt auf die konsequente Einforderung der Verhaltensweisen an. Einmal eingeführt, sollten sie immer wieder thematisiert und eingefordert werden. Sie dürfen sicher sein, genügend Übungen stehen ihnen zur Verfügung.

Zur Person
Sandra Kroll-Gabriel ist Grundschullehrerin, Staatliche Schulpsychologin und Beratungsrektorin am Staatlichen Schulamt Ingolstadt. Sie arbeitet als Legasthenie- und Dyskalkulietherapeutin (BVL), Resilienztrainerin (IHK) sowie Lerncoachtrainerin und ist Autorin für verschiedene Unterrichtshilfen.

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