Rechtsextremismus an Schulen
Was können Lehrkräfte, Schüler/-innen und Eltern dagegen tun?
Hakenkreuze auf Schulmöbeln, rechtsextreme Musk im Unterricht, demokratiefeindliche Parolen in den Pausen und ein Klima der Angst: Schülervertretungen in Ostdeutschland beklagen zunehmenden Rechtsextremismus an Schulen und auch im letzten Jahr hat bereits ein Brief von Lehrkräften, der diese Situation an ihrer Schule in Südbrandenburg beschrieb, eine Debatte über den Umgang mit rechten Vorfällen im Schulalltag ausgelöst. Was können Lehrkräfte und Schulleitungen auch gemeinsam mit Schülerinnen, Schülern und Eltern dagegen tun?
Rechtsextreme Vorfälle kommen an Schulen im ganzen Bundesgebiet vor. Gerade deswegen müssen alle an Schule Beteiligten auf solche Entwicklungen reagieren und früh Maßnahmen ergreifen, um eine Situation wie die an der brandenburgischen Schule zu verhindern. Und dafür stehen den Schulen etliche Instrumentarien zur Verfügung.
Grundgesetz, Strafgesetzbuch, Schulgesetz und Schulprogramm
Zunächst einmal gibt es die gesetzlichen Grundlagen, angefangen mit Artikel 1 des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“. Nach Artikel 5 GG hat in der Bundesrepublik zwar jeder Mensch das Recht, „seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.“ „Diese Rechte“, so heißt es allerdings auch in Absatz 2, „finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.“ Sie enden also dort, wo zu Gewalt und Hass aufgerufen wird. Deshalb enthält das Strafgesetzbuch auch entsprechende Paragrafen, auf die notfalls zurückgegriffen werden kann.
Auch der Blick in das Schulgesetz des jeweiligen Bundeslandes kann sehr hilfreich sein. So heißt es zum Beispiel im Hamburgischen Schulgesetz unter der Überschrift „Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule“: „Unterricht und Erziehung richten sich an den Werten des Grundgesetzes und der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg aus. Es ist Aufgabe der Schule, die Schülerinnen und Schüler zu befähigen und ihre Bereitschaft zu stärken, ihre Beziehungen zu anderen Menschen nach den Grundsätzen der Achtung und Toleranz, der Gerechtigkeit und Solidarität sowie der Gleichberechtigung der Geschlechter zu gestalten und Verantwortung für sich und andere zu übernehmen,“ Mit anderen Worten: Spätestens, wenn dieser Erziehungsauftrag gefährdet ist, können – und müssen - Schulen aktiv werden.
Und schließlich stellt auch das eigene Schulprogramm ein wirksames Instrument dar, denn es hat verbindlichen Charakter für die Schulgemeinschaft. Wichtig ist, dort ganz klar einen Passus gegen Rechtsextremismus und Diskriminierungen zu verankern.
Auf diese Grundlagen kann sich jede Schule berufen, wenn sie geeignete Wege sucht, um mit rechtsextremen und demokratiefeindlichen Schülern umzugehen. Und was bedeutet das für den konkreten Schulalltag?
Prävention und Handeln
Aus Sicht der Amadeu Antonio Stiftung werden rechte Vorfälle an Schulen bisher insgesamt noch zu oft heruntergespielt. Schulleitungen wiegelten ab und bagatellisierten Vorkommnisse als Dumme-Junge-Streiche, sagt der Sprecher der Stiftung, Lorenz Blumenthaler kürzlich gegenüber dpa.
„Grundsätzlich ist das Ignorieren herausfordernder Situationen die schlechteste Möglichkeit, auf menschenverachtende Aussagen und Verhalten zu reagieren“, schreiben die Politikwissenschaftler Rico Behrens, Anja Besand und Stefan Breuer in ihrem Buch „Politische Bildung in reaktionären Zeiten. Plädoyer für eine standhafte Schule“. Es symbolisiere den übrigen beteiligten Personen, dass man gewillt sei, antidemokratische Interventionen zu überhören oder sie zu bagatellisieren.
Das heißt: Lehrkräfte müssen ihre demokratische und menschenrechtsorientierte Haltung deutlich zeigen, insbesondere dann, wenn Schülerinnen und Schüler versuchen, menschenverachtende oder geschichtsrevisionistische Äußerungen zu normalisieren. „Handeln ist wichtig!“, schreiben die Autorinnen und Autoren und Indifferenz müsse vermieden werden. Gleichzeitig sei es allerdings auch wichtig, nicht überzureagieren und damit Provokationen nicht auf den Leim zu gehen. Wichtig bleibe es, Grenzen zu setzen.
Und das gelingt wohl am besten, wenn die gesamte Schule eine klare Haltung gegen Rechtsextremismus und Diskriminierung zeigt und auch entsprechend handelt. Etwa, indem sie diese Thematik verbindlich in den Unterricht und in schulische Aktivitäten einbaut. Lehrkräfte können außerdem fächerübergreifende Projekte organisieren, gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern zivilgesellschaftliche Aktionen, Ausstellungen oder Projekttage gestalten.
Der Wettbewerb Fair@School prämiert Projekte, die sich für einen respektvollen Umgang an Schulen einsetzen. Auf der Webseite sind beispielhafte Projekte zu finden, die sich auch in anderen Schulen umsetzen lassen:
Auch die Eltern können und sollten miteinbezogen werden. Wichtig ist es außerdem, die Schülervertretung – und damit demokratisches Handeln – zu unterstützen.
Und: Weder die einzelnen Lehrkräfte noch die Schulen insgesamt sind auf sich allein gestellt. Sie können zum Beispiel ein Unterstützungssystem aus freien Trägern, den Mobilen Beratungsteams, oder lokalen Initiativen aufbauen. Denn in allen Bundesländern gibt es mobile schulische Beratung oder demokratiepädagogische Initiativen. In der Suchmaschine des Kompetenznetzwerks Rechtsextremismus-Prävention sind 240 lokal und überregional arbeitende Organisationen aufgeführt.
Im Lehramtsstudium werden zukünftige Lehrkräfte kaum auf die Herausforderungen vorbereitet, die rechtsextremes und diskriminierendes Schülerverhalten bedeuten. Deswegen ist auch eine regelmäßige Fortbildung des Kollegiums der Schule notwendig.
Programme, Initiativen, Beratungsstellen und Weiterbildung
Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage
Fortbildung ist auch ein zentrales Anliegen des Projekts Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage. Schulen, die sich an diesem Projekt beteiligen, verpflichten sich nämlich, sich mindestens einmal im Schuljahr intensiv diesem Themenkomplex zu widmen. Hinzu kommt die Einbindung in ein länder- beziehungsweise bundesweites Netzwerk von Schülerinnen und Schülern mit jährlichen Treffen. An bundesweit mittlerweile rund 4.000 Schulen wollen Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte für eine Welt eintreten, in der die Gleichwertigkeit aller Menschen gelebt wird. Über zwei Millionen Schülerinnen und Schüler besuchen mittlerweile eine Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage.
„Demokratiekosmos Schule“ (DEKOS)
„Die Demokratie gerät unter Druck. Auch Bildungsinstitutionen sind deshalb mehr denn je gefordert, junge Menschen zu einer Mitgestaltung des demokratischen Gemeinwesens zu befähigen“ heißt es einleitend zum Demokratiekosmos Schule (DEKOS), einem gemeinsamen Projekt der Bundeszentrale für politische Bildung und der Bertelsmann Stiftung. Und weiter: „Für ein diskriminierungsfreies Miteinander zu werben und entsprechend zu handeln stellt einen Auftrag für die Schulentwicklung insgesamt dar“. Das Projekt unterstützt Schulen im wirksamen Umgang mit antidemokratischen Situationen. Und zwar praxisorientiert, denn Lehrkräfte bekommen in unterschiedlichen Formaten anwendungsorientiertes Know-how.
„Wir möchten mit DEKOS die Handlungskompetenzen von Lehrkräften fördern, das heißt, es geht auf der einen Ebene um Wissen auf der anderen Ebene geht es aber tatsächlich um ganz konkrete Handlungsmöglichkeiten, die Lehrkräften zur Verfügung stehen“, erklärt die wissenschaftliche Beraterin des Projektes, Prof.in Sabine Achour von der Freien Universität Berlin.
Kompetenznetzwerk Rechtsextremismusprävention
Das seit Januar 2020 bestehende Kompetenznetzwerk Rechtsextremismusprävention wird durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms Demokratie leben! gefördert. Das Kompetenznetzwerk ist eine zentrale Anlauf- und Beratungsstelle für alle, die sich mit Rechtsextremismus auseinandersetzen.
Unterrichtsmaterialien
Sowohl Prävention gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Diskriminierung als auch die Förderung von Demokratie und Vielfalt ist eine zentrale Aufgabe von Schulen. Aktuelle Schul- und Fachbücher sowie Kopiervorlagen und Arbeitsblätter rund um diese Themen bietet der Cornelsen Verlag. Hier eine Auswahl:
Fortbildungen der Cornelsen Akademie
Schule demokratisch gestalten und entwickeln
Dieses Live-Online-Seminar setzt sich das Ziel, Sie als Lehrkraft dafür zu sensibilisieren, dass demokratische Bildung die Aufgabe aller an Schule tätiger Pädagoginnen und Pädagogen darstellt und mit Ihnen konkrete Handlungsmöglichkeiten zu diskutieren.
Gewalt ist kein Mittel – Gewaltprophylaxe im Unterricht (SchiLf)
Sie erproben wirksame Maßnahmen zur Verhinderung, Eindämmung und zum Abbau von Gewalt und Mobbing. Sie erfahren, wie Sie als Kollegium durch die konsequente Doppelstrategie „Weich zu den Menschen und hart in der Sache“ zur Deeskalation beitragen können.