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Eine Referendarin in einem Klassenzimmer
Bild: Shutterstock.com/baranq

Methodenkompetenz

Zwischen Theorie und Praxis

Die Theorie ist schön und gut – in der Praxis fühlen sich die meisten Referendarinnen und Referendare trotzdem ins kalte Wasser geworfen. Wie sollen Sie den Bogen von der Theorie zur Praxis schlagen? Wie meistern Sie den Schulalltag entspannt? Und wie können Sie Anfängerfehler vermeiden?

Hier finden Sie Antworten:

Das Referendariat als "didaktische Fahrschule"

Der Start ins Lehrerleben ist der Zeit als Fahranfänger/-in durchaus ähnlich: Die Theorie ist lediglich ein Grundgerüst für die Praxis. Der Rest ist Learning by Doing – und nicht selten steht man vor völlig ungeahnten Schwierigkeiten, auf die einen alle Theorie der Welt nicht richtig vorzubereiten scheint. 

Im Seminar erwerben Sie vielfältigstes Wissen und sollen damit im Schulalltag bestehen. Dafür müssen Sie Ihr Fachwissen allerdings gekonnt auf die konkrete Situation herunter brechen – und das ist oft gar nicht so leicht.

 

Wie kommen Sie vom Wissen zum Können?

Damit Sie tatsächlich Handlungskompetenzen erwerben können, brauchen Sie einerseits allgemeine Zugänge – "objektives Buchwissen", wenn Sie so wollen – und andererseits spezifische Zugänge, also "individuelle Erkenntnisse und Erfahrungen". Beide Dimensionen verknüpfen Sie, indem Sie Ihr Wissen auf eine ganz konkrete Situation zuschneiden. Es reicht letztlich nicht, "der König der didaktischen Theorie" zu sein. Fachkenntnisse sind nicht das finale Ziel Ihrer Ausbildung, sondern nur das Werkzeug, mit dem Sie auch im Ernstfall pädagogische sinnvoll handeln und den Schulalltag souverän meistern. 

Sinnvollerweise arbeiten Sie sich also nicht nur umfassend in die Theorie ein und kennen die Fakten, sondern verstehen die Informationen auch tatsächlich in ihrer Tiefe. Sie verinnerlichen Ihr Buchwissen so weit, dass Sie es in konkreten Schul- und Unterrichtssituationen richtig wenden können. Ihre Erfahrungen evaluieren Sie immer wieder und ziehen wichtige Rückschlüsse, mit denen Sie wiederum neue Situationen generieren und meistern. 

Als Lehrer/-in brauchen Sie damit letztlich drei Arten von Wissen: 

  • Fachwissen, also die theoretische Basis, um Sachverhalte vermitteln zu können.
  • Fachdidaktisches Wissen, also die Fähigkeit, den Stoff passgenau aufzubereiten und zu vermitteln.
  • Pädagogisch-psychologisches Wissen, also vielfältiges Prozesswissen, das sich nicht auf ein Unterrichtsfach beschränkt.

Wenn Theorie und Praxis kollidieren

So schön die Theorie auch sein mag – selbst mit den tollsten Stundenentwürfe können Sie in der Praxis an Ihre Grenzen stoßen. Machen Sie sich deshalb von Anfang an bewusst: Der Unterricht ist keine Einbahnstraße; Sie können Ihr Fachwissen nicht über die Schülerinnen und Schüler ausgießen und automatisch die Erreichung aller Lernziele erwarten. Im Unterricht treffen immer Menschen aufeinander; die Schüler/-innen sind und bleiben ein gewisser "Unsicherheitsfaktor", eine nicht planbare Komponente.

In der Literatur wird das häufig als "Wagnischarakter von Erziehung und Unterricht" bezeichnet: Unterricht ist offen und frei; das Ergebnis können Sie nicht in letzter Konsequenz vorher planen und es steht sowohl Ihnen als auch Ihren Schüler/-innen frei, ob Sie sich auf einen Dialog einlassen wollen oder eben nicht. Ihre Unterrichtsplanung kann also reibungslose Umsetzung finden – oder aber scheitern. Das Gelingen liegt nur bis zu einem gewissen Grad in Ihrer Hand. 

In der Praxis wird es Ihnen den Schulalltag enorm erleichtern, wenn Sie die folgende Perspektive verinnerlichen: 

  • Unterricht ist kein Idealverlauf, den Sie den Schüler/-innen "überstülpen" können – er ist ein Angebot, das Sie Ihren Schüler/-innen machen, und das angenommen oder auch abgelehnt werden kann.
  • Ihr Unterricht sollte natürlich gut, sorgfältig und sinnvoll geplant sein; er kann aber nur gelingen, wenn sich die Schüler/-innen wirklich auf ihn einlassen.
  • Gehen Sie bei der Planung und Evaluation nicht ausschließlich aus der Lehrerperspektive vor. Versetzen Sie sich auch immer in Ihre Schüler/-innen hinein – sonst liegt deren Wahrnehmung womöglich meilenweit von Ihrer entfernt.
  • Wie erfolgreich Ihr Unterricht war, lässt sich erst hinterher sagen – und auch hier sollte nicht nur Ihre Einschätzung, sondern auch die der Schüler/-innen zählen.

Bewährte Tipps: Anfängerfehler vermeiden

Wenn Sie das Autofahren lernen, müssen Sie Fahrpraxis sammeln; nur so gewinnen Sie an Sicherheit und machen wertvolle Erfahrungen. Mit dem Lehrerjob verhält es sich genauso: Sie müssen Erfahrungen sammeln und auch den einen oder anderen Fehler machen, aus dem sich Wichtiges lernen lässt. Einige Fehler können Sie allerdings von vornherein vermeiden. 

Verfallen Sie nicht in Übereifer und stopfen Sie Ihre Stunden nicht mit zu vielen Schwerpunkten voll. Gute Ideen sind zudem kein Selbstläufer; eine gute und sinnvolle Strukturierung Ihres Unterrichts ist unerlässlich. Planen Sie aber nicht zu kleinschrittig und lassen Sie genügend Raum für Flexibilität. Bei den Methoden und Techniken, die Sie einsetzen, kann es beispielsweise sein, dass Ihre Lerngruppe sie noch gar nicht beherrscht – seien Sie also auch hier nicht zu ehrgeizig. 

Verwechseln Sie das Thema der Stunde nicht mit dem Unterrichtsziel: Inhalte und Maßnahmen sind nur ein Werkzeug; das übergeordnete Ziel ist immer der Kompetenzerwerb. Fragen Sie sich bei der Planung zunächst, was genau die Schüler/-innen hinterher können sollen: Sollen Sie sich Fachwissen aneignen? Sollen Sie bestimmt Techniken einüben? Erst wenn die Absicht klar ist, formulieren Sie Ihr Stundenthema. Danach machen Sie sich an die Struktur, wobei jede Unterrichtsphase ein Mittel zum Zweck sein muss, also eine Funktion bezüglich Ihrer Absicht erfüllen muss. Ihr Thema können Sie anhand folgender Fragen noch einmal überprüfen: 

  • Greift das Thema die Interessen der Schüler/-innen auf? Ist es altersgerecht, alltagsrelevant und ermöglicht es exemplarisches Lernen?
  • Ist das Thema tatsächlich mit einer Absicht verbunden?
  • Ist die Formulierung klar und eindeutig?
  • Ist die Stunde zielführend strukturiert?
  • Hat jede Phase eine didaktische Funktion bezogen auf die Unterrichtsabsicht?

Planen Sie unbedingt immer auch "Zeit für Erziehung" und nötige Pufferzeiten ein. Wahrscheinlich braucht es ein paar Minuten, bis die Schüler/-innen angekommen sind und Sie wirklich mit dem Unterricht starten können. Für das Lesen eines Textes brauchen die Schüler/-innen ausreichend Zeit. Und auch für die Bildung von Gruppen sollten Sie beispielsweise ein paar Minuten einplanen. Oft sind es die vielen kleinen Zeitfresser, die sich aufsummieren und bei der Planung gerne übersehen werden.

Auf Unterrichtsstörungen sollten Sie sich am besten auch schon seelisch vorbereiten: Die Schüler/-innen werden nie über die gesamte Dauer der Stunde kerzengerade auf ihren Stühlen sitzen und förmlich an Ihren Lippen hängen. Wenn Sie sich von dieser "Unterrichtsidylle" vorn vornherein gedanklich verabschieden, können Sie mit Störungen deutlich entspannter umgehen – und das wird Ihnen im Schulalltag so manche Nervenkrise ersparen.
 

Anmerkung - Inhalte entnommen aus: 

"Grundwissen Lehrerbildung – Unterricht planen, durchführen, reflektieren" von Ewald Kiel, Ludwig Haag, Manuela Keller-Schneider und Klaus Zierer, ISBN 978-3-589-16249-9, Cornelsen 

"99 Tipps: Erfolgreich durch das Referendariat" von Ilona Dohnicht-Fioravanti, Regina Pols und Claudia Schönherr-Heinrich, ISBN 978-3-589-22934-5, Cornelsen Scriptor