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Bild: Shutterstock.com/LightField Studios

Egozentrisch oder altruistisch? Charaktereigenschaften beschreiben

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Wer von diesem Wasser trinkt, verliert die Erinnerung. Das glaubte man von der Lethe, einem Fluss in der Unterwelt der griechischen Mythologie. Haben Sie auch manchmal den Eindruck, der Weg einzelner Teilnehmer/-innen in Ihrem Kursraum führt über einen solchen Fluss? Während „Lethargie“ in der Medizin ein Krankheitsbild bezeichnet, wird das Adjektiv lethargisch  umgangssprachlich allerdings oft für Personen benutzt, die in hohem Maße teilnahmslos, träge oder schwerfällig erscheinen. Solche Menschen sitzen aber natürlich nicht in Ihrem Kurs. 

Wenn man sich Adjektive ansieht, die Charaktereigenschaften von Menschen beschreiben, fällt auf, dass es besonders die negativen Bezeichnungen sind, die eine interessante Geschichte haben und deren Wurzeln sogar in der griechischen oder römischen Mythologie zu finden sind. 

Ovid erzählt in seinen Metamorphosen z.B. die Geschichte eines schönen jungen Mannes, der alle  Werbungen zurückweist, sich nach einem Fluch schließlich  in sein eigenes Spiegelbild verliebt und stirbt, weil seine Sehnsucht sich nicht erfüllen kann. Die Blume, in die sich sein Leib verwandelt, kennen wir heute als Narzisse. Selbstverliebte Menschen, denen es an Empathie mangelt, bezeichnen wir als narzisstisch.  

Nehmen Sie Anstoß am Auftreten solcher Menschen? Oder haben Sie Skrupel, sie darauf anzusprechen? Unser „Stein des Anstoßes“ und die Skrupel sind tatsächlich miteinander verwandt. Es ist das spitze Steinchen (lat. scrupulus), das unser Gehen hemmt und uns zweifeln oder zögern lässt. Nur wer alle Bedenken beiseiteschiebt und rücksichtslos sein Ziel verfolgt, ist wirklich skrupellos

Die antike Säftelehre liefert die Bezeichnung für einen anderen, manchmal unangenehmen Zeitgenossen. Die gelbe Galle ist neben dem Blut, der schwarzen Galle und dem Schleim einer dieser Körpersäfte, die bei einem gesunden Menschen im Gleichgewicht sein sollten. Ein Übermaß an χολή (gr. cholé) macht den Menschen zu einer gelbgalligen, zu Wutanfällen neigenden Person. Wir beschreiben sie kürzer als cholerisch. Allerdings wird Cholerikern auch Willensstärke und Furchtlosigkeit nachgesagt. 

Noch gar nicht so alt ist ein anderes Adjektiv, das einen kleinlichen, engstirnigen, manchmal auch spießbürgerlichen Menschen beschreibt. Dessen Phantasie oder Handlungsbereitschaft reichen gerade bis zur nächsten Grenze, die sehr eng gezogen ist. Wie auf einem Blatt Millimeterpapier bewegt er sich so innerhalb der Linien – wir bezeichnen ihn deshalb auch als kleinkariert. 

Machen Sie sich mit Ihrem Kurs auf die Suche nach der Bedeutung vieler weiterer Adjektive, um Personen zu beschreiben. Welche sind positiv, welche negativ oder auch ambivalent? Vielleicht gibt es solche Wörter auch in den Herkunftssprachen, sei es wegen ihres lateinischen oder griechischen Ursprungs oder wegen ihres metaphorischen Charakters.   

Wir wünschen Ihnen dazu recht beflissene Lernende. Dass dieses Wort mit fleißig verwandt ist, finden sie dann vielleicht selbst heraus. 

Eine Anregung für die Arbeit mit solchen Adjektiven finden Sie in „Fokus Deutsch – Erfolgreich im Beruf C1“ auf Seite 12.