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Bild: Shutterstock.com/LightField Studios

Ist Pünktlichkeit nur die Höflichkeit der Könige?

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Gründe und Konsequenzen formulieren

Kursleiterin Müller ist immer mindestens 10 Minuten vor Kursbeginn im Raum. Dann ist genug Zeit, die Materialien zu ordnen, die Technik zu überprüfen und die Teilnehmer*innen zu begrüßen. Dozent Meier schafft es meist erst in letzter Minute, weil vorher noch etwas abgesprochen werden musste und auch noch ein paar Kopien fehlten. Und Schulze kommt fast immer zu … -  Nein, das ist nicht vorstellbar. Welcher Typ sind Sie? Und wie reagieren Sie, wenn Teilnehmer*innen immer wieder zu spät kommen und dabei nicht einmal ein schlechtes Gewissen haben? 

Man sagt den Deutschen ja nach, dass sie besonders pünktlich seien. Zumindest im beruflichen oder geschäftlichen Bereich gilt das aber auch für eine ganze Reihe anderer Länder. In der Regel wird erwartet, dass man etwas vorher oder aber zumindest auf die Minute zum Termin erscheint. Ob einem dann eine Verspätung angekreidet oder großzügig nachgesehen wird, hängt oftmals davon ab, ob man als „Kunde“ oder als „Verkäufer“ zu einem geschäftlichen Termin kommt. Verspätungen im privaten Bereich werden dagegen viel öfter toleriert – solange sie im Rahmen bleiben. Denn eigentlich entspricht die Pünktlichkeit nicht der menschlichen Natur. Zumindest in Europa entwickelte sich dieses Prinzip erst mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert. Plötzlich war es nötig, Arbeitsprozesse zeitlich zu koordinieren. Andererseits machte die Massenproduktion mechanischer Uhrwerke es den Menschen auch möglich, bestimmte Zeitpunkte festzulegen und einzuhalten. Soziologen erklären damit auch, dass in landwirtschaftlich geprägten Gesellschaften der Tagesrhythmus eher vom Wetter, dem Stand der Sonne oder von den Jahreszeiten bestimmt wird. 

So wie wir diese Erfahrung machen, wenn wir in den Süden Spaniens, nach Indien oder Südamerika reisen, geht es den Kursteilnehmer*innen in Deutschland. Alle müssen sich daran gewöhnen, dass der Zeit möglicherweise eine andere Bedeutung zugemessen wird, als bisher gewohnt. Für die Menschen, die sich auf den Arbeitsmarkt in Deutschland, Österreich oder der Schweiz vorbereiten, kann das unter Umständen einen schmerzhaften Lernprozess bedeuten. Deshalb, aber auch, um den Kursverlauf reibungsloser zu gestalten, machen wir dieses Thema ab und zu zum Gegenstand einer Kursstunde. Auch in diesem Fall gilt: Am interessantesten wird die Stunde, wenn die Lernenden die Erfahrungen aus ihren Herkunftsländern einbringen und mit anderen vergleichen können. 

Einen Vorschlag für eine solche Einheit finden Sie im Kurs- und Übungsbuch „Pluspunkt Deutsch – Erfolgreich im Beruf B1“ auf Seite 165