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DaF-Journal Beruf</span><span> 
Bild: Shutterstock.com/LightField Studios

Ist jeder seines Glückes Schmied?

DaF-Journal

Der lange Weg zum Traumberuf 

Sich einen Beruf aussuchen? Diese Hoffnung war noch vor 200 Jahren nicht sehr realistisch. Auch wenn mit dem Verschwinden des Ständestaates und der Einführung der Gewerbefreiheit in Preußen um 1810 einige Schranken fielen, waren Gewerbe und Handwerk doch auch noch lange danach von ständischen Strukturen geprägt. Der Sohn machte also gewöhnlich, was schon der Vater machte, zumal den meisten der Zugang zu höherer Bildung versperrt blieb. Die Möglichkeiten für Frauen waren noch begrenzter. In vielen Gewerken halfen sie ihren Männern bei deren Handwerk, arbeiteten in Lohnarbeit (besonders im Textilgewerbe) oder als Dienstmagd. Dagegen gab es noch im Hochmittelalter deutlich mehr selbständige Handwerkerinnen, Wirtinnen oder Kauffrauen. 

Die Idee und der Begriff des Berufes ist Martin Luther zu verdanken, der die Wörter „Berufung“ und „Beruf“ sowohl im religiösen wie auch im weltlichen Sinn verwendete. Für ihn lag selbst in der Lohnarbeit eine Berufung durch Gott. Diesen Gedanken der Pflichterfüllung gegenüber Gott formuliert der Mediziner, Theologe und Philosoph Levinus Lemnius 1559 so: „Ein jeder sey zu frieden mit dem standt und mit dem beruff/ der ihm in diesen zeitlichen leben/und in dieser welt gegeben ist […] vertrage ihn und gedulde ihn nach gelegenheit der zeit/wer er sey/ an was ort und in welchem stande es Gott gegeben hat. Solchs erfodert  S.Paulus von den Corinthern…“1 

Etwa 200 Jahre später entwickelte der Universalgelehrte Johann Gottfried Gregorii (Melissantes) die ersten Strategien zur Berufsorientierung. Dabei riet er besonders, sich selbst zu erforschen, Eignung, Neigung und Temperament zu analysieren und danach den passenden Beruf zu wählen. Aber auch wenn er damit seiner Zeit weit voraus war, richteten sich seine Empfehlungen damals doch nur an einen kleinen elitären Kreis. Heute wird der nach ihm benannte Melissantumpreis an Schulen mit besonderen Konzepten der Berufsorientierung vergeben. 

Mitte des 19. Jahrhunderts manifestierte sich dann im Begriff der Berufswahlfreiheit das zunehmende Selbstverständnis des eigenverantwortlichen bürgerlichen Individuums. Aber immer noch waren die Grenzen eng gezogen. Beispielhaft werden Staatsdiener, Ärzte, Advokaten und Apotheker angeführt. Erst mit Beginn der industriegeprägten Gesellschaft und dem Entstehen staatlicher Institutionen zur Berufsbildung und Arbeitsmarktstatistik zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die letzten Bindungen an die Ständeordnung überwunden. 

Der Weg  zum Traumberuf, wie wir ihn heute verstehen, war aber noch weit. In unserer modernen Gesellschaft verändern sich Berufsbilder sehr schnell und Erstausbildungen verlieren zunehmend an Bedeutung. Das eröffnet zwar die Möglichkeit, eigene Interessen und erworbene Qualifikationen bei der Wahl des Arbeitsplatzes stärker einzubringen, birgt aber auch die Gefahr unterbrochener Erwerbsverläufe und sozialer Risiken. 

Welche Berufe möchten die Teilnehmer/-innen Ihres Kurses ausüben? Welche Gründe führen sie dafür an? Und wie realistisch sind diese Wünsche? 

Einen Vorschlag, über Berufe und Branchen zu sprechen, finden Sie u.a. in „Fokus Deutsch: Erfolgreich in Alltag und Beruf: B2, neue Ausgabe“ auf den Seiten 30f.